Infografik
Wie Jugendliche die politische Landschaft Bremens umgestalten wollen
Bremens Politik scheint vielen jungen Menschen egal zu sein. Um das zu ändern, will die Bürgerschaft Jugendliche enger einbinden. Gibt es bald ein Bremer Jugendparlament?
Ob auf kommunaler, auf Landes- oder auf Bundesebene: Insbesondere unter jungen Wahlberechtigten gibt es viele Nichtwähler. So hat bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Mai dieses Jahres nicht einmal jeder zweite unter-30-jährige Wahlberechtigte seine Stimme abgegeben. Auch bei vorherigen Bürgerschaftswahlen lag die Beteiligung der jungen Männer und Frauen in Bremen unter der älterer Wahlberechtigter. buten un binnen hat recherchiert, was Bremens Politik unternimmt, um junge Menschen für die Politik zu gewinnen, was Eltern machen können, um ihre Kinder für Politik zu begeistern – und was Jugendliche selbst unternehmen, um sich politisch einzubringen:
Wahlbeteiligung bei Bremischen Bürgerschaftswahlen nach Alter
Was unternimmt die Bremische Bürgerschaft, um mehr junge Menschen für Politik zu gewinnen?
Die Bremische Bürgerschaft kümmert sich heute stärker um die sogenannte "außerschulische politische Bildung" als noch vor wenigen Jahren. So findet sich gleich auf der Startseite des Parlaments der Reiter "Bürgerschaft macht Schule!". Hier informiert das Parlament über seine konkreten Projekte zur politischen Bildung.
Auch hat die Bürgerschaft im August vorigen Jahres die Stelle der "Referentin für politische Bildung in der Bremischen Bürgerschaft" eingerichtet. Seitdem versucht die Pädagogin Friederike Wulf, zuvor Lehrerin an der Neuen Oberschule Gröpelingen, Jugendlichen Bremische Politik schmackhaft zu machen. "Junge Menschen brauchen einen Grund, um zu wählen", stellt sie fest. Entsprechend komme es darauf an, ihnen vor Augen zu führen, wie ein Parlament Gesetze schafft, Gesetze, die auch sie betreffen.
"Jugend im Parlament"
Zu diesem Zweck hat Wulf unter anderem das Bürgerschafts-Projekt "Jugend im Parlament" massiv ausgebaut. Statt wie zuvor alle zwei Jahre, lädt die Bürgerschaft nun sechsmal jährlich Schülerinnen und Schüler aus dem gesamten Land Bremen ein, für eineinhalb Tage ins Parlament zu kommen. Vor Ort sollen sie lernen, was alles mit Politik zu tun hat. Sie sprechen persönlich mit Abgeordneten und verfassen mit ihrer Hilfe Anträge zu Themen, die sie bewegen.
"Oft geht es den Jugendlichen zum Beispiel um den Schulalltag, aber auch um die Frage, wie man die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum verbessern kann." So hätten Jungen und Mädchen bei "Jugend im Parlament" schon neue Schwimmbäder, Spielplätze oder auch alternative Nutzungsformen von Grünstreifen angeregt.
Veränderungsfreudige Jugendliche
Alle Beschlüsse, die die Jugendlichen gemeinschaftlich treffen, landen letztlich bei der Bürgerschaftspräsidentin. Auf diese Weise stellt die Bürgerschaft sicher, dass die Ideen der Jugendlichen tatsächlich von den Abgeordneten aufgegriffen werden können und nicht einfach in der Versenkung verschwinden.
Denn schließlich, so Wulf, sollten die Jugendlichen bei Angeboten wie "Jugend im Parlament" lernen, dass sie mehr bewirken können, wenn sie sich in Beiräten, Jugendforen oder eben in der Bürgerschaft einbringen – statt etwa in großen Aktionen auf die Straßen zu gehen, beispielsweise zu Demos von Fridays for Future. Wobei Wulf Initiativen wie Fridays for Future keinesfalls schlechtreden möchte – im Gegenteil: "Man sieht daran sehr deutlich, dass sich junge Menschen durchaus für Politik interessieren. Der Wille, etwas zu verändern, ist auf jeden Fall da."
Abgesehen von Initiativen wie Fridays for Future: An welchen politischen Projekten im Land Bremen zeigt sich außerdem der Gestaltungswille junger Menschen?
Das vielleicht spannendste Projekt in diesem Zusammenhang ist der Versuch einiger Jugendlicher, ein Jugendparlament in Bremen aufzubauen, das eng mit der Bürgerschaft zusammenarbeiten soll. Die 16-jährige Sophia Beer vom Gymnasium Horn ist eine der Initiatorinnen des Projekts. Sie sagt: "Wir brauchen ein solches Parlament, um Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, sich aktiv in der Politik zu beteiligen" Derzeit sei dies in Bremen Jugendlichen nur auf Stadtteilebene möglich.
Ähnlich sieht es Levin Meyer, ebenfalls 16-jähriger Schüler am Gymnasium Horn und zugleich derjenige, der das Projekt federführend vorantreibt: "Wir möchten die Jugendpartizipation in Bremen stärken", sagt er. Denn in der Politik würden viele Themen besprochen, die junge Menschen besonders stark beträfen. Levin denkt dabei etwa an die Umwelt, an das Klima und an das Rentensystem.
Dass die Wahlbeteiligung bei jungen Menschen so gering ist, obwohl sie von vielen politischen Entscheidungen stärker betroffen sind als ältere Menschen, liegt aus Levins Sicht eventuell auch daran, dass Jugendlichen kaum Möglichkeiten hätten, sich gestalterisch einzubringen. An dieser Stelle solle das Jugendparlament zumindest teilweise Abhilfe schaffen, hofft er. Als Vorbild dafür könne das im Dezember 2022 gegründete Jugendparlament Bremerhavens dienen, sagt Levin.
Vorbild Bremerhaven
Dem Sachstandsbereicht des Bremerhavener Jugendamts zufolge setzt sich das Jugendparlament Bremerhaven derzeit aus 40 15- bis 18-jährigen Schülerinnen und Schülern weiterführender Schulen zusammen. Es hat bis jetzt acht Arbeitsgruppen ausgebildet und zwar zu den Themen: Klima, Schule, Chancengleichheit, Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit, Hilfe für Andere, Events für Jugendliche und Jugendtreff in der Innenstadt. Das Gesamtgremium kommt etwa alle drei Monate zusammen.
Genau, wie es sich Levin für das noch zu gründende Bremer Jugendparlament wünscht, arbeitet jenes in Bremerhaven an eigenen Anträgen und bringt sich aktiv ins politische Tagesgeschäft ein. So heißt es in dem Sachstandsbericht: "Wir bringen uns in verschiedenen Workshops des Projekts "Innenstadt neu denken" ein, um hier die Bedürfnisse junger Menschen zu vertreten. Außerdem haben wir uns für einen Jugendtreff in der Innenstadt eingesetzt. Mit dem Jugendbeteiligungsraum entsteht dort nun ein Ort für Jugendliche."
Wie können Eltern das politische Interesse ihrer Kinder fördern?
Zum einen sollten sie ihren Kindern das Verfolgen des politischen Tagesgeschäfts über seriöse Medien vorleben. Zum anderen sollten sie versuchen, die Perspektive der Kinder anzunehmen, sagt Lisa Peyer, Referentin für die Erhöhung der Demokratiefähigkeit, der Wahlbeteiligung und für Partizipation bei der Landeszentrale für politische Bildung Bremen. Peyer fügt hinzu: "Dazu müssen wir Erwachsenen die Kinder und Jugendlichen fragen, was sie interessiert und ihnen anschließend gut zuhören." Auf keinen Fall solle man ihnen die eigene Position aufzwingen. "Es ist im Gegenteil wichtig, junge Menschen dazu zu ermuntern, sich ein eigenes Urteil zu bilden", so Peyer.
Demokratie fange nicht erst bei den Wahlen an. Vielmehr handele es sich auch um eine Haltung, die Familien fördern könnten. "Eltern könnten beispielsweise mit ihren Kindern über die Wochenendgestaltung oder über Mahlzeiten abstimmen", sagt Peyer beispielhaft. Im Kern komme es darauf an, eine Kultur der Mitbestimmung zu pflegen – wenn möglich in den Schulen ebenso wie in den Familien.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 31. Oktober 2023, 19.30 Uhr