Neele Buchholz: Bremer Inklusions-Pionierin auf der Theaterbühne
Neele Buchholz ist eine gefragte Schauspielerin und Tänzerin. Jetzt führt sie erstmals auch Regie. Die Bremerin hat Trisomie 21. Ein Porträt.
Das erste Mal führt die 33-Jährige im Bremer Theater beim Stück "Tür auf – Meine Welt" selbst Regie. In der Produktion macht Neele Buchholz ihr eigenes Leben zum Thema. Sie tanzt und schreibt Gedichte und persönliche Geschichten aus ihrem Alltag. Dabei spielen auch Märchen wie "Die Schöne und das Biest" eine Rolle.
Mit in ihrem Team ist der Tänzer und Neeles Mentor Tomas Bünger. Auch die Assistentinnen Fanny und Anne, Studentinnen der Theaterpädagogik in Ottersberg, begleiten sie bei ihren Proben. Fanny hilft Neele bei ihrer Arbeit, etwa bei der An- und Abreise und Anne ist ihre Probeassistentin. Die Unterstützung wird vom Amt für Integration bezahlt und ist für Neele sehr wichtig.
Mich ehrt es natürlich, dass Neele mich ausgesucht hat, sie jetzt auf dem Weg zu begleiten.
Tomas Bünger über seine berufliche und künstlerische Zusammenarbeit mit Neele
Nicht nur in Bremen ist Neele Buchholz erfolgreich
Sie verdient ihr Geld als freie Künstlerin und ist damit eine Pionierin der Inklusion. Die Bremerin hat viele Unterstützer bei den Jobtouren in ganz Deutschland. Auf der Reise zum Theater unterm Dach in Berlin begleitet sie ihr Stiefvater Lars Gerhardt. Sie spielt hier die Hauptrolle im Stück "T4. Ophelias Garten" – eine große Produktion über den Massenmord an Menschen mit Behinderung in der Nazidiktatur.
Die Hauptrolle der Ophelia, der Nazi-Verfolgten, wird zum ersten Mal besetzt mit einer Frau mit Behinderung. Das Vorstellungsvideo ihrer Schauspielagentur überzeugte. Auch in Bremen wurde Ophelias Garten aufgeführt. Für Neele war die Hauptrolle eine herausfordernde Aufgabe, weil ihre Rolle sehr textlastig ist.
Da gab es eine Filmsequenz mit Neele Buchholz und uns hat wirklich sehr beeindruckt, die Nahaufnahmen und die Profilaufnahmen.
Dirk Brauner, Dramaturg des Stücks "T4. Ophelia's Garten"
Ihr Weg in die Freiberuflichkeit
Neeles Stiefvater begleitet sie nicht nur auf Reisen, sondern macht mit ihr auch Bürotage. Dazu gehören: Mails übersetzen sowie Presseanfragen und Einladungen beantworten. Lars Gerhardt blickt mit Stolz auf Neeles große Erfolge. Sie war beispielsweise Teil einer europaweiten Kampagne für einen Online-Händler und hatte eine Rolle in der ARD-Serie "Eldorado KaDeWe". Obwohl es für seine Stieftochter gut läuft, war es anfangs ein Schock, als sie ihre feste Stelle als Tänzerin in Bremen vor zwei Jahren aufgeben wollte.
Als Frau mit Lernbehinderung eine unbefristete feste Anstellung als Künstlerin zu haben, das ist schon was. Und dann zu sagen, ich lasse das hinter mir und gehe in die Freiberuflichkeit, war schon echt ein Schritt.
Lars Gerhardt, Neeles Stiefvater, über ihre Entscheidung, als freiberufliche Künstlerin zu arbeiten
Neeles Eltern unterstützen sie als freie Künstlerin und dokumentieren filmisch ihre Erfolge. Das ist nur möglich, weil sie sich als Jugendliche gegen die Werkstatt für Menschen mit Behinderung entschieden hat. Menschen in der Behindertenwerkstatt haben keinen Anspruch auf eine Arbeitsassistenz. Freie Tätigkeiten würden dann mit der Grundsicherung verrechnet werden. Dadurch könnte Neele Buchholz, anders als jetzt, ihr volles Honorar nicht selbst behalten.
Zwischen Training, Tanz und Zukunft
Die freiberufliche Künstlerin wohnt in einer inklusiven WG in der Überseestadt, in der Menschen mit und ohne Behinderung zusammen wohnen. Nach einem stressigen Tag tankt sie hier Energie. Viel Leerlauf hat die freiberufliche Künstlerin nämlich nicht. Neben Proben hat die 33-Jährige auch Schauspieltraining mit der Trainerin und Bremer Schauspielerin Susanne Baum. Sie zeichnet auch Videos mit Neele für Online-Bewerbungen auf. Deshalb muss sie auch ihre Stimme trainieren und arbeitet jede Woche intensiv an der Aussprache beim Schauspiel.
Ich will auf dem ersten Arbeitsmarkt gerne arbeiten und Geld verdienen und das mache ich nur, wenn ich Schauspiel oder Tanzen mache.
Neele Buchholz über ihre Leidenschaft
Es gibt viel Konkurrenz auf dem Markt, doch Angst davor ist derzeit unbegründet. Die Geschäfte als Künstlerin laufen für Neele Buchholz gut. Ein weiteres ihrer Projekte ist eine Tanzhauptrolle für das Stück "The woman in me" in der Tafelhalle Nürnberg. Zusammen mit Susanna Curtis tanzt sie in der Produktion. Regelmäßige Jobs sind für Neele Buchholz unerlässlich, sonst stoppt das Integrationsamt die Zahlung für die Assistenz und sie könnte nicht mehr arbeiten. Der Job einer freiberuflichen Tänzerin und Schauspielerin ist anspruchsvoll und der finanzielle Druck groß. Trotzdem würde Neele Buchholz nie ihre Selbstständigkeit aufgeben wollen.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Oktober 2024, 19:30 Uhr