Fragen & Antworten
Wann ist Geruch Gestank und wie viel "Olf" hat Bremens Titanenwurz?
Aasgeruch strömte die Titanenwurz aus, als sie jüngst in Bremen blühte. Aber wie intensiv ist das eigentlich? Das kann man messen – genauso wie alte Socken.
Darauf hatte Bremen gewartet: Vor genau einer Woche öffnete sich die Titanenwurz in der Bontanika in Bremen und gab ihre prachtvolle Blüte frei. Eine echte Seltenheit, denn die Pflanze aus Asien blüht nur alle drei bis fünf Jahre.
Doch was optisch betörend daherkommt, ist nichts für schwache Nasen. Es riecht nach Aas, um Insekten für die Bestäubung anzulocken. Was für Fliegen und Käfer anziehend wirkt, riecht für uns Menschen abstoßend. Aber kann man das, was die Nase aufnimmt, eigentlich messen? Hier die Antworten.
Kann man Geruch messen?
Grundsätzlich erst mal ja. Wie stark ein bestimmter Geruch ist, lässt sich zum Beispiel mit der Einheit "Olf" ausdrücken. Die Bezeichnung "Olf" geht zurück auf ihren Erfinder, den dänischen Ingenieur Ole Fanger. Er führte 1988 diesen Gradmesser des Geruchs ein.
Er definierte auch: Eine sitzende Person, die durchschnittlich 0,7 Duschbäder pro Tag nimmt und 1,8 Quadratmeter Hautoberfläche besitzt, verströmt ein Olf.
In Olf lassen sich Fanger zufolge nicht nur Gerüche von Menschen, Tieren und Pflanzen, wie etwa der Titanenwurz, messen, sondern auch Ausdünstungen von Baustoffen oder anderen Materialien. Aber die Einheit ist höchst umstritten.
Wie weiß man, wie viel "Olf" etwas riecht?
Geruch zu messen, ist tatsächlich kompliziert. Zum einen liegt das daran, dass die Geruchswirkung in der Regel durch ein Gemisch von gasförmigen Substanzen hervorgerufen wird. Die einzelnen Bestandteile dieses Gemisches wiederum sind meist nicht bekannt, oder liegen in so minimaler Konzentration vor, dass sie messtechnisch nicht nachweisbar sind. Hinzu kommt: Der Geruchseindruck, den ein solches Gemisch beim Menschen hervorruft, lässt sich nicht auf einen einzelnen Stoff zurückführen. Er wird beeinflusst durch die Wechselwirkungen der Geruchsstoffe untereinander.
Dass das Messen von Geruch schwierig ist, hängt aber auch mit dem menschlichen Geruchssinn zusammen. Der nämlich hat die Fähigkeit, Geruchseindrücke mit einer zeitlichen Auflösung von etwa zwei bis vier Sekunden zu unterscheiden. Technische Messinstrumente kommen da nicht hinterher. Messverfahren für Gerüche setzen deshalb auf ein menschliches Instrument: die Nase. Sogenannte Testriecher führen vor Ort Protokoll über Art, Intensität und Wirkung des Geruchs.
Wer braucht Geruchsmessungen und warum?
Das Bau- und Umweltressort in Bremen zum Beispiel. So wie alle entsprechenden Landesministerien und auch der Bund. Die Bremer Behörden befassen sich im "Referat Immissionschutz" mit Geruchsemissionen von industriellen und gewerblichen Anlagen. Das "Olf" spielt da allerdings keine Rolle. Um unzulässige Geruchsbelästigungen durch industrielle oder gewerbliche Anlagen zu messen, nutzen die Expertinnen und Experten "die Prozentzahl der Jahresstunden mit Geruchsbelästigung", wie die Behörde buten un binnen mitteilte. In Wohngebieten sind demnach zum Beispiel in zehn Prozent der Jahresstunden Geruchsbelästigungen zulässig. "Das sind also 876 Stunden im Jahr", wie das Ressort selbst ausrechnete.
Aber wie auch beim "Olf" gibt es keine technischen Geräte, die die Geruchsstunden messen. "Sie werden olfaktorisch erfasst", so das Ressort. "Durch Probanden in regelmäßigen Begehungen 'erschnüffelt'."
In Wohngebieten sind zum Beispiel in zehn Prozent der Jahresstunden Geruchsbelästigungen zulässig. Das sind also 876 Stunden im Jahr.
Andrea Schemmel, Referat Immissionsschutz Bauressort Bremen
Wie genau kann so eine menschliche Nase denn Gerüche erschnüffeln?
Riechen ist eine subjektive Angelegenheit. Und das Olf ist in der Wissenschaft auch nicht unbedingt anerkannt. Die Definition, eine ruhende Person verströme ein Olf, berücksichtigt viele Einflüsse nicht, wie der Mitteldeutsche Rundfunk schon berichtete. Dazu gehöre unter anderem die Ernährung, wie viele Schweißdrüsen jemand hat und wie viel Körperbehaarung. Und was, wann und wie intensiv von Menschen als Gerucht wahrgenommen wird, kann schwanken.
Wann ist denn ein Geruch dann ein Gestank?
Das Stinken nach objektiven Kriterien zu definieren, ist schwierig. Denn wie bereits erklärt, lässt sich Geruch nur schwer messen. Aber es gibt, wie die Arbeit des Bremer Bauressorts deutlich macht, einen rechtlichen Rahmen. Die "Geruchsimmission-Richtlinie" legt fest, wie viel Gestank erlaubt ist. Ausschlaggebend dafür ist, ob ein Geruch als angenehm oder unangenehm bewertet wird. Wie beschrieben kommen dafür Testriecherinnen und Testriecher zum Einsatz – die Einstufung folgt einem anspruchsvollen und ausgetüftelten Verfahren.
Aber Gerüche können tatsächlich krank machen. Verarbeitet werden sie im sogenannten limbischen Systems des Gehirns. Dieser Teil steuert Emotionen und das Triebverhalten. Wird ein Geruch als unangenehm, also als Gestank, wahrgenommen, kann das Angst, Ärger und Stress auslösen. Der Grund für diese Reaktion geht auf die Evolution des Menschen zurück. Laut Wissenschaftlern ist der Geruchssinn ein grundlegender Warnsinn, der uns daran hindern soll, uns in Gefahr zu begeben.
Und wie viel Olf hat nun die Titanenwurz in Bremen?
Das ist eine gute Frage. Auch wenn das Olf wissenschaftlich eher umstritten ist, kann man sich die ja selbst mal stellen. Unter Berücksichtigung der Olf-Definition als Vergleichsgröße und subjektiver Erkenntnisse über das eigene Geruchsempfinden – für einen kurzweiligen Party-Smalltalk ist dieses Thema auf jeden Fall geeignet.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. Juni 2022, 19:30 Uhr