Vom Flüchtling zum Werder-Spieler

Ousman Manneh lebt ein Leben, von dem viele Afrikaner träumen. Der 18-Jährige kam als Flüchtling nach Bremen, minderjährig und unbegleitet. Nun ist er Berufsfußballer bei Werder Bremen. Über seine Vergangenheit redet er kaum, uns hat er trotzdem zu Hause empfangen und viel von sich preisgegeben.

In nur etwa einem Jahr hat sich das Leben von Ousman Manneh rasant gewandelt. Bis Ende März 2015 lebte er noch im Flüchtlingsheim Lesum, nun hat er eine eigene Wohnung in der Stadt. Manneh ist aus Gambia geflohen. Fußballer werden war immer sein Traum. Das Zeug dazu hat er.

Manneh wirkt äußerlich ruhig und gelassen, professionell und abgeklärt, wenn man ihn im Trainingslager bei Werders U23 in Dinklage beobachtet. Er spielt motiviert und fühlt sich im Team wohl. Er ist groß und athletisch gebaut, ein auffälliger Stürmer. Das erste Mal bereitet er sich unter solch professionellen Bedingungen auf eine neue Saison vor. "Früher habe ich mir immer vorgestellt, wie es sein wird. Nun bin ich mittendrin. Ein Traum ist wahr geworden", sagt er. Ein Traum, dem Ousman Manneh immer vertraut hat. Er hat nicht daran gezweifelt, es zu schaffen, seine Bekannten in Gambia auch nicht, sagt er.

Für die Leute in Gambia, die mich kennen, ist das keine Überraschung. Seit ich klein war, wollte ich immer nur Fußball spielen. Das ist das Wichtigste für mich.

Ousman Manneh

Menschenrechtsverletzungen in Gambia

Derzeit verlassen Tausende Gambier das Land, denn in ihrer Heimat herrscht seit 21 Jahren der brutale Diktator Yahja Jammeh. Er hasst Homosexuelle, glaubt, dass er Aids heilen kann, lässt Menschen foltern, hinrichten und willkürlich verhaften. Gambia ist eines der ärmsten Länder der Welt, nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen leben 60 Prozent der auf 1,9 Millionen Menschen geschätzten Bevölkerung in Armut.

Manneh, soviel ist klar, hat in Gambia eine gute fußballerische Ausbildung genossen. Zehn Jahre ging er auf die Gambia Rush Soccer Academy, einer Fußballschule für Kinder und Jugendliche. "Du lernst Fußball, als ob du zur Schule gehst. Du lernst die Basis. Ich habe dort alles gelernt, was man im Fußball braucht“, sagt Manneh. Warum er aus Gambia floh, und wie er nach Deutschland kam, darüber redet Manneh wie viele Flüchtlinge nicht.

Mannehs rasanter Aufstieg

Ousman Manneh beim Training mit Werder II
Ousman Manneh fällt auf. Er ist körperlich robust und groß gewachsen. Gute Bedingungen für einen Strafraum-Stürmer. Bild: Radio Bremen

Mannehs Geschichte in Deutschland beginnt im Flüchtlingsheim Lesum. Hier lebte er bis Ende März mit 18 anderen minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen zusammen. Von Anfang an hat er nach einer Chance gesucht, Fußball zu spielen. Durch Betreuerinnen und einen Freund im Heim kam Manneh im April 2014 zum Blumenthaler SV, spielte in der U18 vor und hat für mächtig Aufregung gesorgt. Sein erster Trainer Torsten Hennecke erinnert sich: "Man merkte sofort, das ist ein Fußballer. Auch die Jungs im Team haben sofort gespürt, dass er eine gewisse Fähigkeit hat. Und dann war das Training für ihn ein Schaulaufen. Er hat da richtig einen rausgehauen. Erst hatte ich Angst, er schießt mir das Tornetz kaputt, denn er hat einen unwahrscheinlichen Bumms gehabt."

Manneh wechselte schnell in die U19 des Vereins, spielte dort in der Regionalliga und schoss in elf Spielen 15 Tore. Nach nur wenigen Wochen kamen Scouts und Berater zu den Spielen, Manneh stand immer mehr im Mittelpunkt. Er suchte sich einen Berater aus, der organisierte Probetrainings bei St. Pauli, dem HSV und auf Schalke. Auch Werder war interessiert. "Es war schwierig mich zu entscheiden. Aber hier in Bremen ist meine erste Heimat in Deutschland, ich fühle mich zu Hause." Manneh unterschreibt an seinem 18. Geburtstag am 10. März bei Werder. Sein Vertrag gilt für drei Jahre bis 2018.

In allen Bereichen gutes Potential.

Florian Bruns, U23-Co-Trainer

Die Bremer freuen sich über diesen Deal, sie setzen Hoffnungen in Manneh, wollen ihm aber vor allem Zeit geben, sich zu entwickeln. "Er bringt unglaublich viel mit. Er kann seinen Körper super einsetzen, er hat eine unglaubliche Grundschnelligkeit, er ist technisch gut, er macht die Bälle vorne gut fest, setzt Mitspieler gut ein. Die meisten Spieler können die eine oder die andere Sache gut, er hat in allen Bereichen gutes Potential. Aber natürlich ist das immer noch ein unglaublich langer Weg. Er ist noch ganz jung, da muss man sicherlich geduldig sein und nicht die Ziele zu hoch stecken", sagt U23-Co-Trainer Florian Bruns.

Manneh selbst ist ehrgeizig, hat das nächste Ziel schon vor Augen. Er will in der Bundesliga spielen. Jetzt im Berufsfußball durchzustarten, darauf ist er fokussiert. Wenn er abends nach dem Training nach Hause kommt, schaut er sich auf Sky alte Spiele an. "Die Spieler anzusehen, die weit über mir spielen, motiviert mich und zeigt mir, dass ich immer weiter hart arbeiten muss."

Eine Geschichte wie aus dem Märchenbuch. Innerhalb eines Jahres schafft es Ousman Manneh vom Flüchtling zum Berufsfußballer, von der U19-Regionalliga in die Dritte Liga. Nur ein Punkt lässt stutzen: Sein Alter.

Verwirrung ums Alter

Ousman Manneh Werder Bremen U23
Das W auf dem Trikot: Mit dem Vertrag bei Werder ging für den Flüchtling Manneh ein Traum in Erfüllung. Bild: dpa | Jörg Sarbach

Denn auf einer FIFA-Internetseite findet man einen Ousman Manneh aus Gambia mit dem selben Geburtstag aber einem anderen Geburtsjahr, nämlich 1995 statt 1997. Manneh wäre demnach schon 20 statt 18. Er selbst kann sich das nicht erklären. Werder sind die Unstimmigkeiten bekannt. Werders Sportdirektor Profifußball und Scouting, Rouven Schröder, versichert aber: "Hier ist alles korrekt." Die Behörden bestätigen das Datum in seiner Geburtsurkunde und das sei Jahrgang 1997.

Auch Marcus Kirschke, Sportwart beim Blumenthaler SV, kennt das Thema. Ein Gegner hatte in der vergangenen Saison Beschwerde gegen ein Spiel eingelegt. Begründung: Manneh sei älter und dürfe nicht in der U19 spielen. Die Beschwerde wurde aber abgewiesen. "Wir haben alle beglaubigten Dokumente gehabt, wie den Pass und die Geburtsurkunde. Das Stadtamt hat alles abgesegnet, der Fußballverband hat es abgesegnet, die Fifa, also von daher waren wir uns sicher, dass nichts kommen konnte", sagt Kirschke.

Nächstes Ziel: Bundesliga

Das Thema ist bei Werder schon längst abgehakt. Für das junge Team der U23 geht es vor allem darum, sich gut auf die neue Saison in der Dritten Liga vorzubereiten. Manneh war zuletzt acht Wochen am Knie verletzt. Nun trainiert er wieder voll mit der Mannschaft und hofft auf den nächsten Schritt in seinem unglaublichen Aufstieg. "Ich wollte immer Fußballer werden, das habe ich geschafft. Der nächste Schritt ist nun, in der Bundesliga zu spielen." Den Willen und das Talent dazu hat Manneh, jetzt fehlt ihm noch dauerhafte Gesundheit und Glück.

Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 28. Juni 2015, 19:30 Uhr