Ausstellung will gegen Täter-Opfer-Umkehr bei Vergewaltigungen wirken

Ein Kleidungsstück hängt in einem düsteren Kellergewölbe.

Ausstellung zeigt Kleidung von Betroffenen sexualisierter Gewalt

Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Die Ausstellung "Was ich anhatte" will auf das sogenannte Victim Blaming aufmerksam machen. Die Bremer Polizei hat sie nach Bremen geholt – und hofft, dass auch ihre Mitarbeiter davon lernen.

Ein hellblaues Nachthemd, eine schwarze Lederjacke über einer schwarzen Jeans, ein grünes Kleid in Kindergröße mit vielen gelben und weißen Blümchen: All diese Kleidungsstücke hängen gerade im Wilhelm-Wagenfeld-Haus in der Bremer City. All diese Kleidungsstücke hatten Frauen und Mädchen an, als sie vergewaltigt wurden.

In der Ausstellung "Was ich anhatte" sind insgesamt zwölf verschiedenste Kleidungsstücke ausgestellt. Von Jeans und T-Shirt bis zum Nachthemd. Und genau darum geht es bei der Ausstellung: Sie will zeigen, dass sexualisierte Übergriffe nichts damit zu tun haben, was die Betroffenen dabei anhatten – und so darauf aufmerksam machen, dass das sogenannte Victim Blaming heute immer noch oft passiert.

"Victim Blaming" als Täter-Opfer-Umkehr

"Victim Blaming" bedeutet, dass den Opfern von zum Beispiel sexualisierter Gewalt die Schuld oder eine Mitschuld an dem gegeben wird, was sie erlebt haben. Und das passiert eben auch durch Sprüche wie "Ja, bei so einem kurzen Rock ist das ja kein Wunder" oder Fragen wie "Ja, und was hattest du an?".

Weil die Frauen ja dann zu Täterinnen gemacht werden. Weil sie ja angeblich die falsche Kleidung getragen haben. Und die Männer sind ja die Opfer, die dann leider nicht widerstehen konnten.

Eine Frau schaut in die Kamera.
Kuratorin der Ausstellung, Beatrix Wilmes

Persönliche Berichte von Betroffenen

Ein Kleidungsstück hängt in einem düsteren Kellergewölbe, im Vordergrund ist ein Text zu sehen, in dem eine Frau ihre Erfahrungen beschreibt.
Die Frauen beschreiben auch, wie sie die Übergriffe noch immer belasten. Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Dass sich trotzdem immer noch viele Frauen solche Vorwürfe anhören müssen, wird besonders deutlich, wenn man sich die Texte durchliest, die in der Ausstellung neben den Kleidungsstücken hängen. So berichtet beispielsweise eine Frau, wie ihr bei der Polizei gesagt wurde, dass sie ja das Leben der Männer zerstören würde, wenn sie das Geschehene zur Anzeige bringen würde.

Und es wird auch deutlich, wie einschneidend die Übergriffe für diese Frauen waren. Viele beschreiben, wie sie immer noch psychisch mit dem Erlebten zu kämpfen haben. Eine von ihnen erzählt zum Beispiel: "Wenn ich eine Person sehe, die ein ähnliches Outfit trägt, erstarrt alles in mir."

Mutige Frauen statt Opfer

Gesammelt hat die Ausstellungstücke Beatrix Wilmes über einen Aufruf in den sozialen Medien. Insgesamt hätten sich 40 Frauen auf ihren Aufruf gemeldet, einige ihrer Geschichten sind nun in der Ausstellung zu sehen. Wilmes ist es wichtig, diese Frauen dabei nicht nur als Opfer darzustellen.

Diese Frauen sind mutig. Sie gehen an die Öffentlichkeit. Sie sagen, was ihnen passiert ist. Um damit anderen Frauen Mut zu machen, denen das auch passiert ist, und zu sagen: Ihr seid nicht die Einzigen, denen das passiert ist. Und auf der anderen Seite, um das Thema aus der Tabu-Ecke zu holen und an der Öffentlichkeit mit den Menschen darüber sprechen.

Eine Frau schaut in die Kamera.
Kuratorin der Ausstellung, Beatrix Wilmes

Auf den Hinweistafeln wird allerdings natürlich trotzdem zunächst beschrieben, was den Frauen passiert ist – also wie sie zu Opfern der Straftaten geworden sind. Aber eben auch, wie sie das Erlebte verarbeitet haben oder auch gegen die Täter vorgegangen sind.

Ein Kleidungsstück hängt in einem düsteren Kellergewölbe.
Insgesamt zwölf Outfits sind ausgestellt. Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Bedrückend ist die Stimmung in der Ausstellung trotzdem. Vor allem, wenn einem immer wieder bewusst wird, dass das größtenteils wirklich die Original-Kleidungsstücke sind, die die Frauen anhatten. Und auch, weil sie im Kellergewölbe des Museums ausgestellt sind. Die Räume haben sehr niedrige Decken und die Wände sind roher Backstein. Es ist eher düster, einzelne Scheinwerfer beleuchten die Kleidungsstücke.

Auf Einladung der Polizei

Bevor die Ausstellung in diesen Räumen in Bremen gezeigt wurde, war sie schon in verschiedenen Städten in Deutschland zu sehen. Das Besondere hier ist aber: Die Polizei hat sich bei der Ausstellung gemeldet und sie nach Bremen eingeladen. Denn die Beamten und Beamtinnen haben viel mit Betroffenen zu tun. Zum Beispiel, wenn sie die Anzeigen aufnehmen.

Das findet auch Esther Wilken wichtig. Sie ist Frauenbeauftragte der Bremer Polizei und hatte die Idee, die Ausstellung nach Bremen zu holen. Sie hofft, dass auch die Polizisten und Polizistinnen sich die Ausstellung angucken – und dadurch etwas lernen. Insbesondere verschiedene Workshops und Vorträge, die im Rahmen der Ausstellung angeboten werden, sollen dabei helfen.

Wir gehen davon aus, dass jeder, der diese Ausstellung besucht, eben auch ins Grübeln kommt und sich selber hinterfragt.

Eine Frau, die Frauenbeauftragte der Bremer Polizei, schaut in die Kamera.
Esther Wilken, Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Bremer Polizei

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Autorin

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 26. August 2024, 16:40 Uhr