Infografik

Wie Bremer bei einem Behandlungsfehler Schadenersatz bekommen können

Bremerin klagt auf Schadensersatz wegen eines Behandlungsfehlers

Bild: dpa | Jan Woitas

Pfusch bei der OP, falsche Medikamente, keine Aufklärung: Immer wieder kommt es in Kliniken und Praxen zu Behandlungsfehlern. So können sich Patienten in Bremen wehren.

In die Schlagzeilen kommen nur die schwersten Fälle, so genannte "Never Events": Behandlungsfehler, die "eigentlich nie passieren dürften", wie es der Medizinische Dienst Bund formuliert. In Bremen unvergessen in diesem Zusammenhang: Wie einem Patienten 2017 im Klinikum Bremen-Mitte versehentlich eine Niere statt der Milz entnommen wurde.

Zwar sind derartig grobe Fehlleistungen selten. Zu kleineren Behandlungsfehlern aber kommt es immer wieder in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen. Davon zeugen Zahlen, die der Medizinische Dienst Bremen kürzlich vorgelegt hat.

Wie oft behandeln Ärzte und Pflegekräfte Patientinnen und Patienten falsch?

Der Medizinische Dienst Bremen weiß von zwei Never Events im Zwei-Städte-Staat in den Jahren 2019 bis 2023. Zum Hintergrund: Zu Never Events zählen etwa schwerwiegende Medikationsfehler, unbeabsichtigt zurückgebliebene Fremdkörper nach Operationen oder die Verwechslung von Patienten.

Kommt es zu derartig gravierenden Fehlern nur in Ausnahmefällen, so sind kleinere Behandlungsfehler Gang und Gäbe in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen. 30 solcher Fehler mit Schäden für die betroffenen Patienten hat der Medizinische Dienst 2023 im Land Bremen registriert, bundesweit waren es 3.159. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf ähnlichem Niveau.

Das darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es tatsächlich um viel mehr Fälle gehen dürfte. Der Medizinische Dienst Bund geht von hohen Dunkelziffern aus. Er schätzt, dass es allein bei stationären Behandlungen in etwa einem Prozent der Fälle zu Fehlern und vermeidbaren Schäden kommt. Demnach wären bundesweit jährlich fast 170.000 Menschen von Behandlungsfehlern betroffen.

Behandlungsfehler im Land Bremen 2023

Behandlungsfehler im Land Bremen 2023 2,9 % / 4 FälleFehler ohne Schaden 75,5 % / 105 Fällekein Behandlungsfehler 21,6 % / 30 FälleBehandlungsfehler mit Schaden 18,7 % / 26 FälleKausalität für Schaden nachgewiesen 2,2 % / 3 FälleKausalität unklar 0,7 % / 1 Fallkeine Kausalität Quelle: Medizinischer Dienst 139 Fälle

Behandlungsfehler in Deutschland 2023

Behandlungsfehler in Deutschland 2023 3,5 % / 435 FälleFehler ohne Schaden 71,1 % / 8.844 Fällekein Behandlungsfehler 25,4 % / 3159 FälleBehandlungsfehler mit Schaden 21,5 % / 2674 FälleKausalität für Schaden nachgewiesen 3 % / 373 FälleKausalität unklar 0,9 % / 112 Fällekeine Kausalität Quelle: Medizinischer Dienst 12.438 Fälle

Wo kommt es am häufigsten zu Behandlungsfehlern?

Der Statistik des Medizinischen Dienstes Bund zufolge betreffen etwa zwei Drittel der Behandlungsfehlervorwürfe in Deutschland die stationäre Versorgung, insbesondere Krankenhäuser (8.177 Fälle), ein Drittel (4.233 Fälle) ambulante Behandlungen. Meist gehe es um operative Eingriffe. 29,5 Prozent der Vorwürfe betrafen 2023 die Orthopädie und Unfallchirurgie, 11,5 Prozent die Innere Medizin und Allgemeinmedizin, 9,3 Prozent die Zahnmedizin, um die "Spitzenreiter" zu nennen.

Was sollten Patienten machen, wenn Sie das Gefühl haben, dass sie falsch behandelt worden sind?

Sie sollten aus ihrem Gedächtnis ein Protokoll des Behandlungsverlaufs anfertigen und sich dann an ihre Krankenkasse wenden. Das sagen die Verbraucherzentralen, der Medizinische Dienst Bremen und die Ersatzkassen gleichermaßen. "Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, ihren Versicherten in einem solchen Fall zu helfen", erklärt dazu Birgit Tillmann, Sprecherin des Verbands der Ersatzkassen (vdek) Bremen. Die Krankenkasse könne Befunde bei den beteiligten Ärzten oder Krankenhäusern anfordern.

Kommt die Krankenkasse zu dem Ergebnis, dass der Verdacht des Versicherten, falsch behandelt worden zu sein, begründet ist, beauftragt sie den Medizinischen Dienst damit, ein Gutachten zu erstellen. Das Gutachten ist für den Versicherten kostenlos. Im Falle eines Behandlungsfehlers dient es als Grundlage der weiteren gerichtlichen oder außergerichtlichen Klärung.

Am Ende der Analyse sollte die Krankenkasse den Fall bewerten. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die unter anderem auf Gesundheitsthemen spezialisiert ist, empfiehlt Versicherten, dass sie auch dann auf eine schriftliche Stellungnahme der Krankenkasse bestehen sollten, wenn diese kein Gutachten durch den Medizinischen Dienst erstellen lässt: "In dem Schreiben sollte die Kasse verständlich erklären, welche Fakten ihr vorliegen, welche Schlüsse sie daraus zieht und welche weiteren Schritte folgen. Kommt das Gutachten zum Ergebnis, dass kein Behandlungsfehler vorliegt, sollten die Gründe hierfür erläutert werden oder warum von einer Fortführung des Anliegens abgeraten wird."

Eine FFP2 Maske hängt neben Infusionen griffbereit an einem Ständer im Vorbereitungsraum der Anästhesie.
Behandlungsfehler bei Operationen können besonders schwerwiegende Folgen haben. Bild: dpa | Hans Wiedl

Was ist zu tun, wenn die Krankenkasse einen Behandlungsfehler feststellt?

Die Verbraucherzentrale rät dazu, "spätestens" jetzt einen Fachanwalt für Medizinrecht hinzuzuziehen. Das sei nötig, um Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Wichtig zu wissen sei in diesem Zusammenhang, dass Ansprüche aus Behandlungsfehlern nach drei Jahren verjährten.

Die Handelskrankenkasse (hkk) weist in einem Merkblatt zu Behandlungsfehlern darauf hin, dass Arbeitnehmer in Bremen die Möglichkeit hätten, die Rechtsberatung der Arbeitnehmerkammer in Anspruch zu nehmen.

Was bleibt denjenigen, die zwar glauben, falsch behandelt worden zu sein, aber vor einem Rechtsstreit und einer möglichen Klage samt Gerichtsvefahren zurückschrecken?

In diesem Fall kann man sich an die zuständige Landesärztekammer wenden. Auch die Ärztekammer Bremen hat eine Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen. Das Schlichtungsverfahren ist für die Patienten kostenlos. Auch ist die Entscheidung der Schlichtungsstelle rechtlich nicht bindend, wie die Ärztekammer Bremen mitteilt. Das heißt: Man kann hinterher immer noch klagen.

Wer eine Schlichtung mit einem Zahnarzt oder einer Zahnärztin im Land Bremen anstrebt, kann sich an die Patientenberatung der Zahnärztekammer Bremen wenden, rät Jörg Bauer, Hauptgeschäftsführer der Kammer.

Seit Februar dieses Jahres können unzufriedene Patienten kritische Ereignisse zudem anonymisiert auf der Website des vdek Mehr Patientensicherheit melden. Bis jetzt seien dort mehr als 1.300 Fälle eingegangen und bearbeitet worden, sagt Birgit Tillmann, Sprecherin des vdek Bremen. Die überwiegenden Meldungen seien hochwertig gewesen, betont sie. Das Portal helfe den Krankenkassen dabei, Missstände aufzuspüren und gegenzusteuern.

Einfach erklärt: Was ist ein ärztlicher Behandlungsfehler?

Bild: Radio Bremen
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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. Oktober 2024, 19:30 Uhr