Hintergrund

Diskussion um Bremens Kita-Gesetz: "Dann kann jeder Erzieher sein"

Bildungssenatorin will Quereinstieg für Kita-Betreuung erleichtern

Bild: dpa | Uwe Anspach

Weil Bremen Erzieherinnen fehlen, will das Bildungsressort die Standards für das Kitapersonal senken. Der Aufschrei von Profis aus der Praxis ist groß – aber es gibt auch Lob.

In der Kita kümmern sich Profis um die Kinder – davon gehen Eltern normalerweise aus. Das könnte sich in Bremen und Bremerhaven allerdings bald ändern. Denn Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) will, dass auch weniger qualifizierte Menschen künftig Kita-Gruppen betreuen dürfen. Damit will sie dem Personalmangel entgegenwirken.

Doch ihre Pläne sind umstritten. "Das geht überhaupt nicht", sagt Melanie Krause, Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbands Niedersachen-Bremen und selbst Kitaleiterin. Was sie besonders stört: Nach den Plänen des Bildungsressort sollen sogenannte geeignete Personen die Kinder zeitweise auch allein betreuen dürfen. Einzige Voraussetzung ist ein sauberes erweitertes Führungszeugnis. "Das kann die Küchenkraft oder der Gärtner sein", kritisiert Krause. Das hält sie für unverantwortlich. Mit dieser Kritik steht sie nicht alleine dar: Auch die Bremer Elterninitiative "Kitasthrophe" sieht das Kindeswohl in Gefahr und nennt die Pläne "grob fahrlässig".

Das Bildungsressort versichert auf Nachfrage von buten un binnen, dass die Sicherheit der Kinder oberste Priorität habe. Die Behörde vertraut darauf, dass die Kitas sorgfältig auswählen, welche fachfremde Person sie einstellen.

Eine ausgebildete Erzieherin muss in Hörweite sein

Konkret sehen die Pläne der Bildungsbehörde vor, dass nur vier Stunden am Tag eine vollausgebildete Erzieherin oder ein Erzieher pro Kita-Gruppe anwesend sein muss. In den Randzeiten soll eine Assistenzkraft, zum Beispiel eine sozialpädagogische Assistentin, gemeinsam mit einer fachfremden Person die Betreuung übernehmen. Außerhalb der Kern- und Randzeiten sollen auch zwei fachfremde Personen die Betreuung übernehmen können. Dabei reiche es, wenn eine ausgebildete Erzieherin in Hörweite sei.

"Das wäre fatal", sagt Erzieherin Lea Gärtner, die im Kinder- und Familien Zentrum Marßel in Bremen arbeitet. Ihrer Meinung nach reicht es auch außerhalb der Kern- und Randzeiten nicht aus, wenn nur eine Erzieherin im Haus sei. Ihre Erfahrung zeige, dass ungelernte Arbeitskräfte im Job unsicherer seien: "Sie sind oft schneller überfordert und gröber im Umgang mit den Kindern."

Quereinsteiger als Bereicherung

So kritisch sehen Aulepps Pläne aber nicht alle. Sinja Burbach, Kitaleiterin von "Metas Kinnerhus" in Bremen-Oberneuland, hat sehr gute Erfahrungen mit fachfremden Quereinsteigern gemacht. Sie seien motiviert und hätten große Lust auf den Job.

Diese Menschen können manchmal besser geeignet sein, als manche ausgebildete Erzieherin.

Sinja Burbach, Kitaleiterin von "Metas Kinnerhus"

Einer dieser Quereinsteiger ist Sebastian Freye. Der ehemalige Teamleiter einer Modefiliale erzählt, dass er auf der Suche nach einem Job mit mehr Sinn in "Metas Kinnerhus" gelandet ist – und sich in den Beruf verliebt hat. Er hat sich in der Abendschule und am Wochenende fortgebildet und ist seit letztem Sommer Erzieher. Freye findet gut, dass Fachfremden mit der geplanten Gesetzesänderung der Quereinstieg leichter gemacht werden soll. Aber er sagt auch: "Man sollte eigentlich gezwungen werden, sich fortzubilden". Andere Quereinsteiger zeigten weniger Initiative als er. "Denen fehlt dann schon die fachliche Kompetenz", sagt Freye.

Das Bildungsressort bekräftigt gegenüber buten un binnen, allen Fachfremden eine berufliche Qualifizierung ermöglichen zu wollen. Auch eine Einstiegsqualifikation sei sinnvoll. Voraussetzung ist sie in der geplanten Gesetzesänderung aber nicht.

In der Praxis vermitteln oft die Erzieherinnen den Fachfremden das nötige Wissen – eine Belastung im eh schon stressigen Alltag. "Das ist wie noch ein Kind zusätzlich", sagt Erzieherin Lea Gärtner. Die Bildungssenatorin will prüfen, ob den Erziehern für das Anleiten mehr Geld gezahlt werden kann.

Regelung in Niedersachsen ist ähnlich

Änderungen wie in Bremen geplant, wurden in ähnlicher Form letztes Jahr in Niedersachsen beschlossen. Personen ohne pädagogische Ausbildung dürfen dort allerdings – anders als in Bremen vorgesehen – nicht allein eine Gruppe betreuen. Das sei sehr wichtig, sagt Yvonne Lux, Kitaleiterin in Delmenhorst. Zwar arbeiten in ihrer "Kita Schatzinsel" auch fachfremde Personen, die eine sehr wertvolle Unterstützung seien. Sie könnten allerdings keine Fachkräfte ersetzen, so Lux.

Das genau das in Bremen im Gespräch ist, besorgt Erzieherin Lea Gärtner. Sie fürchtet, dass künftig weniger Menschen die Erzieher-Ausbildung machen wollen, wenn man auch ohne Qualifizierung in der Kita arbeiten kann. Die geplante Gesetzesänderung empfindet sie als mangelnde Anerkennung ihrer Ausbildung.

Warum habe ich jahrelang die Schulbank gedrückt, wenn dann jeder Erzieher sein kann?

Lea Gärtner, Erzieherin aus Bremen

Aus dem Bildungsressort heißt es beschwichtigend: Erzieherinnen und Erzieher würden weiterhin mehr Verantwortung tragen und besser bezahlt werden. "Nicht ausgebildete Personen können doch unsere Fachkräfte nicht ersetzen, die wir dringend brauchen." Bildungssenatorin Aulepp versteht ihren Vorstoß als pragmatische Lösung, um Erzieherinnen und Erzieher zu entlasten und den Personalmangel zu bekämpfen.

Aus der Praxis werden andere Lösungen gefordert: kleinere Gruppen, attraktivere Ausbildungsbedingungen, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Einig sind sich aber alle: Die Politik muss handeln. Ob das Gesetz wie von Aulepp geplant geändert wird, entscheiden jetzt der Senat und dann die Bürgerschaft.

Mehr zum Thema:

Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 13. November 2024, 19 Uhr