Fragen & Antworten
Ein Jahr Klinik-Atlas: Was bringt das Portal für Bremer Patienten?

Die Datenbank soll die Krankenhaus-Suche vereinfachen. Wir erklären, ob der Atlas wirklich hilft, wo es noch hakt – und wieso für Bremer eine regionale Plattform eher lohnt.
Was ist der Klinik-Atlas überhaupt?
Der Klinik-Atlas des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) ging am 17. Mai 2024 online. Der damalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bezeichnete das Online-Portal als "übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel". Mit seiner Hilfe sollten Patientinnen und Patienten schnell und einfach herausfinden können, "welche Klinik welche Leistung mit welcher Qualität anbietet".

Nach breiter Kritik – teils waren Angaben fehlerhaft oder veraltet – bekam die Plattform ein umfassendes Update. Auch räumte Lauterbach ein, dass der Atlas sowohl für Patienten als auch für Ärzte zu unübersichtlich geraten sei. Inzwischen informiert die Datenbank über die Behandlungsqualität bei 25 verschiedenen Krankheiten und Operationen in rund 1.600 Krankenhäusern.
Wie häufig wird der Klinik-Atlas genutzt?
Exakte Zahlen, wie oft etwa in Bremen nach welcher Klinik und welchem Eingriff gesucht wird, liegen nicht vor. "Technisch ist es nicht möglich, das Nutzerverhalten für jedes Bundesland spezifisch auszuwerten", teilt das BGM auf Anfrage von buten un binnen mit.
Allgemein ist aber erkennbar, dass die Zugriffszahlen nach starkem Interesse zu Beginn deutlich zurückgingen: Während das Portal allein in den ersten zwei Wochen rund 1,4 Millionen Nutzer verzeichnete, waren es laut BGM im gesamten Oktober 2024 nur noch 125.000 User. Mittlerweile nutzen monatlich aber wieder mehr als 200.000 Menschen den Klinik-Atlas – "ohne dass ein Cent für Werbung ausgegeben wurde", wie ein BGM-Sprecher betont.
Das zeigt, dass der Bundes-Klinik-Atlas auf ein breites Interesse stößt.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums auf Anfrage von buten un binnen
Der Bremer Patientenschützer Reinhard Leopold widerspricht dieser Einschätzung. "Dies deutet darauf hin, dass das Portal zwar anfangs viel Aufmerksamkeit erhielt, aber nicht dauerhaft genutzt wird", sagt Leopold. Ähnliches vermutet die Bremer Krankenhausgesellschaft (HBKG): "Der Klinik-Atlas wird kaum genutzt. Er ist für die meisten Menschen schlicht nicht relevant."
Der Klinik-Atlas könnte sofort abgeschaltet werden, ohne eine Lücke in der Behandlungstransparenz in Deutschland zu hinterlassen.
Bremer Krankenhausgesellschaft auf Anfrage von buten un binnen
Wie hilfreich ist der Klinik-Atlas für Patienten?
Der Erkenntnisgewinn ist nach Ansicht vieler Experten überschaubar. Laut Patientenschützer Leopold sei die Plattform gar "überflüssig". "Der Klinik-Atlas erfüllt in der jetzigen Form leider nicht die Erwartungen und erscheint aus Patientensicht nutzlos", resümiert Leopold. Ein ähnliches Urteil fällt auch die HBKG.
Der Klinik-Atlas stellt sich auch ein Jahr nach Einführung als überflüssige Suchmaschine heraus.
Bremer Krankenhausgesellschaft
Zwar begrüßt Patientenschützer Leopold, dass das Ministerium Transparenz für die Gesundheitsversorgung in den Kliniken anstrebe. Doch einfach nur Informationen zu Fallzahlen, Betten, Zertifikaten, Pflegepersonal-Quotienten und Versorgungsschwerpunkten darzustellen, reiche nicht aus.
Als Patient möchte man nicht nur die Anzahl der Behandlungsfälle oder den krankenhausweiten Pflegepersonal-Quotienten für eine Entscheidung wissen.
Reinhard Leopold, Bremer Patientenschützer, auf Anfrage von buten un binnen
Welche Informationen helfen Patienten denn bei der Klinik-Suche?
Wichtig seien laut Leopold Angaben zu Fehlerquoten oder Todesfällen – etwa bei schweren Operationen – und wie die Kliniken damit umgehen. Oder Informationen darüber, ob es eine unabhängige Interessenvertretung der Patienten – sogenannte Patientenfürsprecher – gibt und ob eine Klinik besonders gut mit alten, behinderten oder psychisch beeinträchtigten Menschen umgeht.
Wie bewerten Krankenhäuser den Klinik-Atlas?
Von Anfang an beklagten zahlreiche Krankenhäuser den bürokratischen Mehraufwand. "Ärztinnen und Ärzte sollen nun viele Details melden, ohne dass Patientinnen und Patienten davon einen echten Vorteil haben", kritisiert die HBKG. Der Klinik-Atlas stelle demnach nur eine sehr begrenzte Anzahl von Behandlungen sowie Krankheiten dar – und das ohne Qualitätsergebnisse oder spezifische Informationen.
Die Bewertung der Behandlungsqualität im Krankenhaus ist ein hochkomplexer Vorgang, der sich nicht auf die dort vorgenommene, viel zu vereinfachte und Fakten verdrehende Weise abbilden lässt.
Bremer Krankenhausgesellschaft

Ebenso gebe der Atlas für jedes Krankenhaus nur "rudimentäre Informationen". Beispielhaft verweist die HBKG auf den sogenannten Pflegepersonal-Quotienten. Dieser gelte nicht für die jeweilige Fachabteilung, sondern krankenhausweit. "Er sagt nichts über die Personalsituation in der Fachabteilung aus, in der die Behandlung stattfindet, ist also eine recht nutzlose Information."
Die HBKG setzt daher – ebenso wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft – auf die neue Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). "Durch den Personalwechsel" hoffe man auf eine "neue Chance, Gehör zu finden".
Durch das Einstellen des Klinik-Atlas könnte der Abbau von überflüssiger Bürokratie erreicht werden.
Bremer Krankenhausgesellschaft
Wie reagiert das Ministerium auf die Kritik?
Das BGM lehnt die teils harsche Kritik ab. "Der Klinik-Atlas weist die objektivsten und die aktuellsten, zentral validierten Daten aus", betonte ein Sprecher. Die Behandlungsfallzahlen und der Pflegepersonal-Quotient seien demnach gute erste Parameter, um die Erfahrung und Qualität eines Standorts einzuschätzen. Die aussagekräftigen Zertifikate und Qualitätssiegel seien zudem ein Alleinstellungsmerkmal des Klinik-Atlas.
Ein Aus der Plattform scheint demnach nicht geplant. Im Gegenteil: Das BMG wird die Plattform nach eigener Aussage "weiter optimieren und seine Potentiale in den kommenden Updates noch stärker ausschöpfen".
Beispielsweise ist vorgesehen, dass Informationen zur einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung und die Anzahl des (fach-)ärztlichen Personals pro Krankenhausstandort ausgewiesen werden.
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums
Welche Alternativen gibt es in Bremen für den Klinik-Atlas?
In Bremen existiert seit 2010 der sogenannte Krankenhausspiegel. Auch in anderen Ländern gibt es vergleichbare Angebote. In Bremen und Bremerhaven bietet das Online-Portal einen Überblick zur Versorgungsqualität aller 13 Kliniken. Unterstützt werden die Krankenhäuser von der Ärztekammer, der Techniker Krankenkasse und der Verbraucherzentrale.
Die Plattform liefert unter anderem Qualitätsergebnisse für häufige und komplizierte Behandlungsgebiete. Ebenfalls angegeben wird die Zahl der Behandlungen in einem Zeitraum von drei Jahren. "Daraus lassen sich auch Qualitätsentwicklungen erkennen", sagt Patientenschützer Leopold. Wer auf der Suche nach einer geeigneten Klinik ist, sollte seiner Ansicht nach statt des Klinik-Atlas eher den Krankenhausspiegel zu Rate ziehen.
Im Moment sind für Patienten die Informationen des Bremer Krankenhausspiegels deutlich hilfreicher für eine Entscheidung.
Patientenschützer Reinhard Leopold
Zu der gleichen Einschätzung kommt auch die HBKG: "Der Bremer Krankenhausspiegel bietet ganz eindeutig die besseren Erkenntnisse und Informationen." Dieser stelle einen sehr großen Teil aller wichtigen Erkrankungen und Behandlungen, die in Bremens Krankenhäuser angeboten werden, mit Daten, Karten und ausführlichen Informationen dar.
Der Bremer Krankenhausspiegel bietet Informationen in einem Umfang, in einer Art der Aufbereitung, die es – abgesehen vom Krankenhausspiegel Thüringen – sonst für kein anderes Bundesland gibt.
Bremer Krankenhausgesellschaft
Was bedeutet die geplante Krankenhausreform für Bremen?
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Mai 2025, 19:30 Uhr