Interview

Bremer Buchhandlung trotzt mit diesem "Geheimnis" dem Ladensterben

Eine Frau steht hinter einer Theke in einem Buchladen.

Bremer Buchladen erhält Preis

Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Der Druck auf den Buchhandel durch Amazon und Co. ist hoch. Doch das "Findorffer Bücherfenster" macht sich kaum Sorgen. Was ist das Erfolgsrezept?

Reisen in ferne Länder, Rundflüge auf dem Rücken von Drachen oder spannende Ermittlungen in Mordfällen – all das ist auf nur rund 30 Quadratmetern möglich, und zwar in der Buchhandlung von Barbara Hüchting, dem "Findorffer Bücherfenster". Zwischen Kinderbüchern, Liebesromanen und Sachbüchern ist nichts von der starken Konkurrenz auf den Buchhandel durch Amazon und Co. zu spüren.

Inhaberin Barbara Hüchting sagt, ihrem Laden gehe es sehr gut. Doch das sieht nicht bei allen Bremer Buchhandlungen so aus: Zuletzt musste etwa die Buchhandlung "Storm" in der Innenstadt schließen. Unter anderem wegen des schwierigen Marktes, hieß es von der für die Insolvenz zuständigen Kanzlei.

Wie schafft es das "Findorffer Bücherfenster", in Zeiten des Onlinehandels zu bestehen? Was ihr Erfolgsrezept ist und wie wichtig Buchhandlungen für einen Stadtteil sind, verrät Inhaberin Barbara Hüchting im Interview.

Frau Hüchting, was macht für Sie eine Buchhandlung aus, wenn Sie sie zum ersten Mal betreten?

Ich spüre einfach erstmal: Wie ist die Atmosphäre, wie werde ich begrüßt, wie sehr sind die Menschen in Kontakt mit der Kundschaft? Wie der Ton ist untereinander? Das ist das Wichtigste.

Welche Atmosphäre wünschen Sie sich für Ihren eigenen Laden?

Fröhlichkeit und Herzlichkeit. Das ist mir ganz wichtig, dass die Kundschaft sich wirklich willkommen geheißen fühlt.

Und wie erreichen Sie das?

Durch das persönliche Miteinander, wie das Team und die Kundschaft miteinander sind. Ich hoffe, dass trotz der kleinen Räumlichkeiten und der gewissen Enge ein Willkommenscharakter, auch in der Gestaltung des Ladens, besteht. Ich möchte die Menschen gerne einladen, hereinzukommen und bis hinten durchzugehen. Dadurch, dass wir es so angeordnet haben, dass man zu den Dingen auch wirklich hingeleitet und heran gelockt wird – einfach, um die Vielfalt zu zeigen.

Das Schaufenster eines Buchhandels, des Findorffer Bücherfensters.
Eine Buchhandlung müsse zum jeweiligen Stadtteil passen, sagt Barbara Hüchting. Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Welche Rolle spielt Ihr Laden in der Gemeinschaft in Findorff?

Um beim Thema Atmosphäre zu bleiben: Ich glaube, dass das viel ausmacht, so eine Buchhandlung im Stadtteil. Auch für Menschen, die gar nicht unbedingt zu uns kommen. Das ist ähnlich wie bei einem Wein- oder Käseladen: Das hat etwas Genussvolles, solche kleinen Geschäfte stehen für etwas Positives im Stadtteil und beleben ihn.

Wenn Menschen zu uns kommen, verbinden sie damit etwas Positives: Ich möchte jemanden beschenken, oder ich möchte mir selbst eine Freude machen. Und es ist natürlich ein schönes Straßenbild, wenn die Geschäfte mit schönen Dingen besetzt sind.

So eine Stadtteilbuchhandlung hat die Aufgabe, zu gucken, was dieser Stadtteil haben möchte. Das mag auch von Stadtteil zu Stadtteil sehr unterschiedlich sein. Ob ich im Viertel bin oder in Schwachhausen oder in Walle oder hier. Ich glaube schon, dass es da auch passen muss, von den Menschen her.  

Barbara Hüchting, Inhaberin vom "Findorffer Bücherfenster"

Wer kommt in Ihren Laden? Sie haben zum Beispiel viele Kinderbücher.

Findorff hat ganz viele Familien mit kleinen Kindern. Aber inzwischen ist es wirklich so, dass man nicht mehr sagen kann: Das sind eben nur die 40 aufwärts, die zu uns kommen. Es kommen auch 30-Jährige, 35-Jährige, die wirklich interessiert sind an Themen, die Lust haben auf Bücher. Das kann von ganz leichter Literatur bis zum Auseinandersetzen mit Themen und Inhalten gehen. Das genieße ich total.

Das ist mit Corona ganz doll geworden. Da haben wir sehr deutlich gespürt, dass es gerade diese Generation ist, die ihren Lebensstil so geändert hat. Das Bewusstsein war immer da. "Man sollte ja bei den Geschäften vor Ort kaufen. Aber es ist ja so praktisch, das mit Amazon zu machen." Als die Geschäfte dann plötzlich geschlossen waren und es von der Politik einen großen Aufruf gab: "Unterstützt den Einzelhandel‘ hat man es aber plötzlich gemacht und hier vor Ort gekauft.

Wir haben ja auch einen Webshop. Aber 80 Prozent der Leute, die bei uns über den Webshop ihre Auswahl treffen, holen ihre Bücher dann hier bei uns ab. Obwohl man es sich auch nach Hause bestellen könnte.

Barbara Hüchting, Inhaberin vom "Findorffer Bücherfenster"
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Warum glauben Sie, ist das so?

Ich glaube, dass das der persönliche Kontakt ist und die Atmosphäre. Dass man mit einem Lächeln wieder herausgeht. Man muss ja auch irgendein Einkaufserlebnis haben. Warum soll ich noch in den Einzelhandel gehen, wenn es dann doch nur ein Abwickeln des Geschäfts ist? Gut, dann hat man es gemacht. Aber wenn es wenigstens einhergeht mit dem Gefühl "Ach, jetzt bin ich ein bisschen besser gelaunt", weil es ein fröhliches Gespräch war oder einfach die Stimmung schön war.

Menschen begegnen sich hier auch. "Ach, du auch wieder hier!", das hört man ganz häufig. Wir erleben das als einen Ort, an dem sich der Stadtteil auch trifft.

Barbara Hüchting, Inhaberin vom "Findorffer Bücherfenster"

Würden Sie sagen, Ihrem Laden geht es gut?

Ja, unserem Laden geht es zum Glück wirklich sehr, sehr gut. Es gibt zum Glück noch sehr, sehr viele Menschen, die lesen. Es gibt immer diese Negativ-Meldungen: Wieder so und so viel Leser weniger. Ja, mag sein. Wir erleben das nicht. Wir erleben hier immer steten Zuwachs.

Ein Plakat mit der Aufschrift Booktok hängt neben einem Bücherregal.
Für Bücher, die in den sozialen Medien besprochen werden, gibt es eine eigene Ecke. Bild: Radio Bremen | Rebecca Küsters

Junge Leute tauschen sich seit Kurzen auf Tiktok und Co. über Bücher aus und finden so wieder zum Lesen – unter dem Stichwort BookTok. Merken Sie das in Ihrem Laden?

Wir selbst haben zwar einen Kanal auf Facebook und Instagram. Aber im BookTok-Bereich sind wir nicht so aktiv. Aber wir haben in unserem Laden bewusst eine Ecke mit diesen Büchern gestaltet, damit die Menschen, die sie suchen, sie direkt erkennen.

So richtig hat die Zielgruppe es aber noch nicht verstanden, dass wir auch diese Bücher da haben. Ich glaube, dass viele da doch in die Innenstadt oder die Einkaufszentren gehen und zum Beispiel bei Thalia oder eben online gucken. Dieser Hype, der teilweise rund um diese Bücher gelebt wird, der hat sich noch nicht ganz bis zu uns durchgesetzt.

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Mit welchem Buch lassen sich Ihre Buchhandlung und die Bremer und Bremerinnen, die zu Ihnen kommen, beschreiben?

Das ist wirklich eine spannende Frage … Peter! (Anmd. d. Red.: Sie ruft einen Mitarbeiter.)

Peter Schröder: Ich würde das Buch von Mariana Leky nehmen (Anm. d. Red.: Titel: "Was man von hier aus sehen kann") Einfach, weil wir im Stadtteil alle sehr unterschiedlich sind. Aber wir kommen alle immer zusammen. Und das ist in dem Buch auch so.

Barbara Hüchting: Das finde ich toll. Das ist auch ein Lieblingsbuch des Ladens, des Stadtteils. Das passt sehr schön.

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Bild: Radio Bremen

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Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 12. September 2024, 6 Uhr