Ersatz für Sonntags-Feiertage? Diese Bremer Akteure sagen "Jein"

Der 1. Mai fällt auf einen Sonntag – wie zuletzt viele Feiertage. "Die Linke" will für Ausgleichstage sorgen: zur Freude der einen, zum Entsetzen anderer Bremer Akteure.

Zwei von zehn Bremer Feiertagen fallen dieses Jahr auf einen Sonntag, darunter der bevorstehende Tag der Arbeit (1. Mai). "Ungerecht" findet das "Die Linke". Ihr Bundestagsabgeordneter Jan Korte hat daher in der "Rheinischen Post" eine Bundestagsinitiative angekündigt, "damit künftig keine Feiertage mehr ausfallen". Doch wie realistisch ist das? Und: Was halten Akteure aus der Bremer Wirtschaft, Politik und Wissenschaft von der Idee? Ein Überblick:

1 Unternehmen im Land Bremen

Cornelius Neumann-Redlin im Interview
"Unsinnig" findet Neumann-Redlin die Idee, Sonntags-Feiertage auszugleichen. Bild: Radio Bremen

Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen, findet die Diskussion um Ausgleichstage "unsinnig": "Naturgemäß liegen Feiertage mal in der Woche und mal nicht: In arbeitnehmerfreundlicheren Jahren käme wohl kaum jemand auf die Idee, einen Feiertag zum Ausgleich auf das Wochenende zu legen." Daher lehnten die Unternehmensverbände den Vorschlag der Linken ab. Ohnehin belege Deutschland im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz bei der Gesamtzahl der arbeitsfreien Tage durch Urlaub und Feiertage.

2 Deutscher Gewerkschaftsbund Bremen

Ernesto Harder ist seit Mitte Dezember 2021 neuer DGB-Geschäftsführer für die Region Bremen-Elbe-Weser.
Ernesto Harder, DGB-Geschäftsführer, ist für eine europaweit einheitliche Regelung. Bild: DGB

Ernesto Harder, Vorsitzender des DGB Bremen, sagt: "Grundsätzlich finden wir es als Gewerkschaften positiv, wenn es mehr freie Tage für Beschäftigte gibt. Allerdings gibt es in Deutschland einen Kompromiss, von dem wir als Gewerkschaften nicht einseitig abweichen." Feiertage seien zudem häufig anlassbezogen: "Der erste Mai wird am ersten Mai begangen und nicht am zweiten Mai", so Harder. Davon unberührt gebe es in Ländern wie Belgien oder Spanien andere Feiertagsregelungen als bei uns. "Eine Regelung, die für den gesamten europäischen Arbeitsmarkt gleich ist, wäre für Beschäftigte das Beste", findet der Gewerkschafter.

3 Handwerkskammer Bremen

Die Handwerkskammer Bremen vertrete sowohl die Interessen der Unternehmerinnen und Unternehmer als auch die der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Handwerk, sagt Sprecher Oliver Brandt. Entsprechend differenziert betrachte die Kammer das Thema.

Handwerkskammer-Präses Thomas Kurzke kann der Forderung nach Ausgleichstagen nichts abgewinnen: "Die allermeisten Handwerksbetriebe haben volle Auftragsbücher und fragen sich, wie sie die vielen Anfragen, zum Beispiel für energetische Sanierungen, bedienen können", sagt Kurzke. Die Auftragsreichweite sei enorm gestiegen. Sie betrage bei den Ausbaugewerken inzwischen bis zu 42 Wochen. "Vor dem Hintergrund, dass gerade beim Thema Wohnungsbau und energetische Sanierung sowie Klimaschutz enorm viel zu tun ist, wäre ein Ausgleich für Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, nicht zielführend", findet Kurzke.
 
Anders sieht es Thomas Sengewald. Er vertritt als Vizepräses der Kammer die Interessen der Arbeitnehmer im Bremer Handwerk. Den Gedanken, Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, am darauffolgenden Werktag nachzuholen, begrüßt er sehr: "Handwerkerinnen und Handwerker leisten unheimlich viel und tragen damit einen wichtigen Beitrag für unsere Wirtschaft und unser Gemeinwesen. Deshalb kann ich die Forderung nach einem Ausgleich für Feiertage, die auf einen Sonntag fallen, gut nachvollziehen", sagt Sengewald, schränkt aber ein: "Fraglich ist, wie sich das für Handwerksbetriebe in der derzeitigen Situation und bei der derzeitigen Auftragslage umsetzen ließe."

4 Irene Dingeldey, Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen

Porträt der Professorin Dr. Irene Dingeldey, die Direktorin vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen
Irene Dingeldey, Direktorin des Insituts Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen, findet die Idee der Linken, Ausgleichstage für verlorene Feiertage zu schaffen, unterstützenswert. Bild: privat

Irene Dingeldey, Direktorin des Instituts Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen stellt fest: Von Ausgleichstagen für Feiertage würden alle Arbeitnehmer profitieren, die mit festen Monatsgehältern entlohnt werden. Die Wissenschaftlerin findet: "Eine solche Regelung ist zu unterstützen, da sie das Volumen der geleisteten Arbeitsstunden im Tausch gegen ein festes Gehalt exakter bestimmt – und von der kalendarischen Variation der Feiertage unabhängig macht."

Allerdings stellt Dingeldey die Erfolgsaussichten des Vorstoßes der Linken in Frage. So sei mit Widerstand durch Arbeitgeber zu rechnen, da die Arbeitskraft durch Ausgleichstage insgesamt teurer werde. Doch nicht nur das: "Eine landesweite Gleichbehandlung würde zudem eine Vereinheitlichung der Feiertagsregelungen nach Bundesländern erfordern, was je nach Ausgestaltung ebenfalls Widerstände von jeweils unterschiedlichen Gruppen hervorrufen dürfte", vermutet Dingeldey.

5 Bremer CDU-Fraktion

Die CDU lehnt den Vorschlag ab. So sagt Andreas van Hooven, Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: "Diese Idee der Linken ist nicht neu und wir halten nach wie vor nichts von ihr. Auch in politischer Hinsicht ist sie unrealistisch."

6 Bremer FDP-Fraktion

Ganz ähnlich fällt das Statement von Lencke Wischhusen aus. Die Fraktionsvorsitzende der Bremer FDP sagt: "Ich halte gar nichts von dieser Idee der Linken." Umso weniger, als Feiertage eine historisch gewachsene Bedeutung hätten, die unabhängig von Wochentagen sei. Schüfe man Ausgleichstage für Feiertage, die auf Sonntage fielen, so führte man diese historisch gewachsene Bedeutung der Feiertage ad absurdum. Zu den Erfolgsaussichten des Vorstoßes der Linken sagt Wischhusen: "Ich glaube nicht, dass das durchkommt."

7 Bremer SPD-Fraktion

In der Bremer SPD hat es zu den Feiertagen kürzlich eine breite Diskussion gegeben. So sagt Andreas Reißig, Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion: "Auf dem Unterbezirksparteitag der SPD Bremen-Stadt am zweiten April hatten die Jusos einen entsprechenden Antrag eingebracht, dieser wurde aber mehrheitlich abgelehnt."

Als Grund für diese mehrheitliche Ablehnung durch die Bremer SPD nennt Reißig, ähnlich wie Lencke Wischhusen von der FDP, unter anderem die historische Bedeutung der Feiertage, die sich nicht einfach nachholen lasse. Problematisch fänden viele SPD-Mitglieder auch den Vergleich mit anderen Ländern, in denen es Ausgleichstage für verlorene Feiertage gebe. Denn in diesen Ländern gebe es in der Regel insgesamt weniger arbeitnehmerfreundliche Regelungen als in Deutschland. Sie eigneten sich daher nicht als Vorbilder. Davon unberührt teilt Reißig für die Bremer SPD-Bürgerschaftsfraktion mit: "Wer mehr Urlaubstage einfordern möchte, kann dies selbstverständlich tun, sollte dies aber auch so klar sagen."

8 Bremer Grünen-Fraktion

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Bremen Grünen, Henrike Müller, zeigt sich offen für eine Diskussion über Nachhol-Feiertage, gerade weil viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Pandemie über ihre Kräfte gegangen seien: "Deshalb ist es an der Zeit für eine gesellschaftliche Debatte, aufs Wochenende fallende Feiertage nachzuholen", sagt Müller. Sie räumt aber auch ein, dass es aus ihrer Sicht noch wichtigere arbeitspolitische Themen gebe: "Die zunehmende Tarifflucht bringt das Fundament unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung mehr ins Wanken als ein entgangener freier Tag", so Müller.

9 Bremer Linksfraktion

Nelson Janßen, Vorsitzender der Bremer Linksfraktion, unterstützt den Vorstoß seiner Partei im Bund uneingeschränkt. Feiertage dienten der Entspannung der Familie, so Janßen: "Es ist mehr als unfair, wenn je nach Jahr die Zahl der Entlastungstage unterschiedlich ist", so der Politiker. Gerade die Menschen im Land Bremen seien auf ärgerliche Weise betroffen, wenn Feiertage auf Sonntage fielen: "Es gibt im protestantischen Bremen ohnehin schon weniger Feiertage als beispielsweise im katholischen Bayern", so Janßen.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 25. April, 7:30 Uhr