Interview
Bremer Richterin über ihren Job: wichtig, "aber Spaß macht es nicht"
Gesa Kasper urteilt als Richterin über schwere Straftaten. Sie erklärt, worin der Sinn von staatlichen Strafen besteht und verrät, was wohl passieren würde, wenn es keine Strafen gibt.
Warum strafen wir als Gesellschaft? Warum strafen Sie als Richterin?
Als Richterin ist es meine Aufgabe. Mein Beruf ist es, Menschen zu bestrafen oder besser: Strafaussprüche zu tätigen. Die Strafvollstreckung macht dann ja jemand anders in der Justizvollzugsanstalt oder bei der Vollstreckung der Geldstrafen. Dass wir strafen, scheint ein Bedürfnis der Gesellschaft zu sein.
Was sagt das Gesetz über den Zweck des Strafens?
In Paragraf 46 des Strafgesetzbuchs ist festgelegt, dass wir eine schuldangemessene Strafe brauchen. Strafe hat also etwas mit Schuld zu tun. Wir fügen einem Straftäter bewusst ein Übel zu. Und das ist nur dann gerechtfertigt und zulässig, wenn sich dieses Übel an der Schuld des Täters orientiert. Und dafür hat der Gesetzgeber uns Kriterien an die Hand gegeben.
Was eine angemessene Strafe ist, darüber gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen. Was sind Ihre Erfahrungen?
Als Richterin am Landgericht entscheide ich nie alleine, immer mit ein oder zwei Richterkolleginnen oder -kollegen und zwei Schöffinnen oder Schöffen. Wir bemühen uns gemeinsam, die angemessene Strafe zu finden. Das Gesetz gibt uns einen Strafrahmen vor, der meistens sehr breit ist. Wir beraten dann in unserem Beratungszimmer alle Umstände, die eine Rolle spielen können.
Dazu gehört das Vorleben, die Schwere der Tat, mögliche Suchterkrankungen, psychische Ausnahmesituationen. Aber auch, ob die Tat geplant war, ob der Täter Reue gezeigt hat und ob er Wiedergutmachung leisten will. Die verschiedenen Aspekte werden abgewogen, jeder von uns setzt andere Schwerpunkte. Und trotzdem ist es in der Regel so, dass wir am Ende oft erstaunlich einig sind.
Eine schwere Kindheit entschuldigt nicht alles. Das gilt umso mehr, je weiter man dem entwachsen ist.
Gesa Kasper, Vorsitzende Richterin am Landgericht Bremen
Manche Angeklagte, die vor Gericht stehen, sind vom Leben möglicherweise schon bestraft genug. Wie können Sie darauf reagieren?
Solche Situationen haben wir oft. Natürlich sehen wir Biografien, in denen schon, wenn man sich mit dem Kindes- und Jugendalter beschäftigt, rückblickend klar ist: Diese Person hatte es nicht leicht im Leben. Der Gesetzgeber hat uns mitgegeben, dass das eins der Kriterien ist, die wir berücksichtigen sollen.
Gleichzeitig ist es aber so, dass eine schwere Kindheit nicht alles entschuldigt. Das gilt umso mehr, je weiter man dem entwachsen ist. Wenn ich einen 30- oder 40-jährigen Täter hier sitzen habe, spielt das eine geringere Rolle, als bei einem Jugendlichen oder Heranwachsenden.
Was würde denn passieren, wenn wir als Gesellschaft auf eine Strafe verzichten würden?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Menschen trotzdem keinen Mord begehen würden, auch wenn es nicht sanktioniert würde. Da gibt es Hemmschwellen. Beim Delikt der Steuerhinterziehung zum Beispiel sähe es wahrscheinlich ganz anders aus. Wenn das sanktionsfrei wäre, würden wohl sehr viele Menschen bei der Steuererklärung versuchen, die Dinge so darzustellen, dass sie weniger Steuern zahlen müssen.
Machen Sie Ihren Beruf gerne?
Strafen auszusprechen, Menschen zu verurteilen ist erstmal nicht positiv. Es hat sicher positive Aspekte, wenn zum Beispiel Verfahrensbeteiligte, seien es die Angeklagten oder auch die Geschädigten, hinterher auf mich zukommen und sich für das faire Verfahren bedanken. Wenn ich also das Gefühl habe, ich habe zu einem Rechtsfrieden oder zu einer Befriedung einer Situation beigetragen, dann fühlt sich das gut an.
Trotzdem bleibt es dabei, dass ich insgesamt vor allem strafe. Manchmal sagen Menschen zu mir: Viel Spaß bei der Arbeit. Dann sage ich: Das ist ja keine Spaßveranstaltung. Es ist eine wichtige Aufgabe, aber Spaß macht es nicht.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Oktober 2024, 19:30 Uhr