Interview
Was bleibt von 12 Jahren Einsatz für Bremerhavens Schulen, Herr Frost?
Heute endet die Amtszeit von Schuldezernent Michael Frost. Im Interview verrät er, was er seinem Nachfolger mit Bauchschmerzen übergibt und was er jetzt vorhat.
Nach zwölf Jahren Amtszeit muss Bremerhavens Schul- und Kulturdezernent Michael Frost sein Büro im Schulamt für seinen Nachfolger Hauke Hilz (FDP) räumen. Frost gehörte zunächst den Grünen an, ist aber seit 2015 parteiloser Dezernent gewesen. Der 57-Jährige legte in seiner Amtszeit mehrere bundesweite Kampagnen gegen Lehrermangel auf.
Herr Frost, was war Ihr persönliches Highlight in Ihrer Amtszeit?
Das ist schwer, da jetzt eins herauszugreifen aus zwölf Jahren. Aber grundsätzlich würde ich sagen, die Highlights sind eigentlich die, wie wir immer gemeinsam mit Mitarbeitenden mit Krisensituationen umgegangen sind. Und von denen gab es ja durchaus einige: Ich nenne mal die Pandemiebewältigung für den Kita- und für den Schulbereich, oder die hohe Zahl von Schülern aus geflüchteten Familien. Ich finde, wir haben das hier gut miteinander gemanagt.
Was war neben der Pandemie die größte Herausforderung?
Neben der Pandemie und dem Anstieg der Schülerzahlen sicherlich auch einzelne Situationen wie das Attentat seinerzeit am Lloyd-Gymnasium. Das war besonders herausfordernd. Grundsätzlich ist es natürlich jetzt gerade im Bildungsbereich über die ganzen Jahre der Personalmangel gewesen, der Umgang damit, dass wir festgestellt haben, dass wir für die vielen Schülerinnen und Schüler in der Stadt zu wenig Lehrerinnen und Lehrer haben. Es ist in der Vergangenheit zu wenig Vorsorge getroffen worden. Das ist etwas, was sich tatsächlich nahezu über meine komplette Amtszeit durchgezogen hat: Einmal damit umzugehen, und dann Programme zu entwickeln, um die Lage an den Schulen zu verbessern.
Für mich ist das auch eine Ohnmachtserfahrung gewesen, denn ich bin es gewohnt, zu handeln und Entscheidungen zu treffen, jeden Tag, jede Stunde, jede Sitzung, die ich mache. Aber in dieser Situation war ich wirklich ohnmächtig.
Michael Frost, scheidender Schuldezernent über das Attentat am Lloyd-Gymnasium
Wie lief die Zusammenarbeit mit der Bremer Politik?
Es ist häufig so, dass wir hier denken: Wir sind jetzt nicht mitgedacht worden. Oder man kennt sich in Bremerhaven nicht so gut aus. Und dann landen die Fragen der Bremer bei uns. Aber das wiederum ist ja auch eine Chance, weil es uns die Beteiligung ermöglicht an nahezu allen Vorlagen, in meinem Fall des Bildungsressorts. Ich sage mal ein Beispiel: Ich bin jetzt in den letzten zwölf Jahren in so ziemlich jeder Sitzung der Bildungsdeputation dabei gewesen als Vertreter des Bremerhavener Magistrats. Das ist ein Privileg, dessen bin ich mir schon bewusst.
Wie zufrieden sind Sie selbst mit Ihrer Bilanz?
Trotz aller Herausforderungen, die nicht gelöst sind, bin ich zufrieden. Es geht ja immer um die Frage: Habe ich das Bestmögliche herausgeholt? Aus den Problemen, mit denen ich konfrontiert wurde, haben wir Lösungen entwickelt, die ich umsetzen wollte. Ich würde sagen, ein Anspruch muss ja sein, ehrlich zu sein. Und ich glaube von mir sagen zu können, dass ich die Probleme nicht beschönigt habe. Und dann werden die Menschen auch damit umgehen können, wenn sie merken, dass man ernsthaft um Lösungen bemüht ist, und dass man ihnen nicht irgendwas vorgaukelt. Und das ist für mich immer so eine Maxime gewesen, die wichtig war.
Gibt es etwas, das Sie mit Bauchschmerzen an Ihren Nachfolger übergeben?
Es ist ja nie so, dass die Arbeit erledigt ist. Das Problem des Fachkräftemangels wird in den nächsten Jahren bleiben. Ich gehe mal davon aus, dass die ganzen Strategien, die wir entwickelt haben, eher noch ausgebaut werden müssen. Das ist eine Herausforderung, die bleibt. Es gibt aber auch eine Menge Chancen. Wir haben jetzt ja angesichts der wachsenden Schülerinnen- und Schülerzahlen zum ersten Mal seit 50 Jahren in Bremerhaven begonnen, neue Schulen zu bauen. Wir investieren in die Infrastruktur und wir investieren auch in moderne Pädagogik. Und ich glaube, dass das eine Antwort ist – einmal auf den Fachkräftemangel, aber wir wollen natürlich auch eine inhaltliche Antwort finden auf Pisa, auf die Lernrückstände, die viele Bremerhavener Kinder immer noch mit sich bringen.
Was geben Sie Ihrem Nachfolger mit?
Nichts in der Öffentlichkeit. Ich glaube, das gehört sich nicht, dass ich gute Ratschläge gebe. Die braucht er auch nicht. Mein Nachfolger Hauke Hilz ist ein erfahrener Bildungspolitiker – sowohl in der Bürgerschaft als auch in der Stadtverordnetenversammlung. Er weiß, worauf er sich einlässt, und wir haben die Übergabe gemeinsam gut vorbereitet. Ich wünsche ihm von Herzen ein gutes Gelingen und viel Erfolg. Ich glaube, dass er gute Voraussetzungen mitbringt, um das Amt auszuführen.
Und wie geht es jetzt für Sie weiter?
Ja, das ist eine Frage, die mich selber auch umtreibt, für die ich noch keine abschließende Antwort habe. Ich habe mich ja bewusst entschieden, jetzt nach zwölf Jahren aus dem Amt auszuscheiden. Ich bin jetzt 57. Ich habe also theoretisch noch zehn Berufsjahre vor mir. Und ich habe mir gesagt, das ist jetzt für mich die Möglichkeit, noch mal etwas Neues zu beginnen. Aber was das sein wird, das weiß ich tatsächlich noch gar nicht genau. Ich nehme mir erstmal eine Auszeit, um darüber nachzudenken. Ich bleibe in Bremerhaven, ich bleibe in der Region und ich bleibe sicherlich auch in irgendeiner Form den Themen verbunden, mit denen ich bis jetzt beschäftigt gewesen bin. Aber in welcher Form, das weiß ich tatsächlich noch nicht.
Ich gehe total gerne ins Theater, Open-Air-Festivals, Konzerte. Ich besuche gerne Museen und Ausstellungen. Und ich glaube, ich werde es genießen, all das tun zu können, ohne jeweils am Eingang ein Grußwort sprechen zu müssen.
Michael Frost, scheidender Schuldezernent über seine Zukunftspläne
Vermissen Sie das Leben an der Schule?
Ja, das habe ich immer vermisst. Ich habe den Kontakt zu den Kindern und zu den Jugendlichen immer sehr genossen. Ich kann es mir tatsächlich auch wieder vorstellen für die Zukunft. Aber das ist eine der Fragen, mit denen ich mich jetzt mal beschäftigen werde. Ich würde es nicht ausschließen.
Das Interview führte Nils Braunöhler, aufgeschrieben von Sonja Harbers.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. Oktober 2024, 19.30 Uhr