Interview

Dieser Bremer "Super-Recognizer" jagt Verbrecher mit der Polizei

Unscharfes Gesicht schaut auf Videoüberwachung.
Super-Recognizer Ronny Reimann erkennt Gesichter auch nach vielen Jahren. Bild: Radio Bremen

Nach vielen Jahren einen Menschen, den man einmal kurz gesehen hat, wiedererkennen? Das scheint schwer vorstellbar. Doch bestimmte Zivilfahnder der Bundespolizei haben diese Gabe.

Ronny Neumann heißt eigentlich anders. Seinen echten Namen dürfen wir nicht nennen und sein Gesicht nicht zeigen, denn Herr Neumann ist Super-Recognizer bei der Bundespolizei. Im Bremer Hauptbahnhof erkennt er Leute, nach denen teils schon jahrelang gefahndet wird. Im Interview erzählt er uns, was es damit auf sich hat.

Herr Neumann, Sie sind Super-Recognizer. Was kann man sich darunter vorstellen?

Unter Super-Recognizer muss man sich vorstellen, dass ich keine Gesichter vergessen kann. Ich kann mir Gesichter nach nur kurzem Überfliegen für lange Zeit merken. Personen, die ich mir etwas mehr einpräge, kann ich sogar über Jahre mit Veränderungen wie Altersunterschiede und körperlicher Merkmale wiedererkennen.

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie eine besondere Fähigkeit besitzen?

Schon frühzeitig in der Jugend. Letztendlich war mein Freundeskreis genervt, an was ich mich alles erinnern konnte. Man wusste schon immer, dass da irgendwas ist, aber man hat sich damit nicht groß beschäftigt. Ich glaube, dass jeder eine Fähigkeit hat, um die einen andere beneiden. Aber nur weil man sich Gesichter merken kann, denkt man ja nicht, dass man herausragend ist.

Es gibt Überwachungskameras und modernste Technologien zur Gesichtserkennung. Warum braucht es Menschen wie Sie?

Die Kameras und die Technik, die es gibt, werden nicht dauerhaft eingesetzt. Das darf man auch nicht, weil der Eingriff in die Rechte eines Menschen viel zu hoch ist. Dafür muss schon eine schwerwiegende Straftat vorliegen. Wir sind auch dort, wo Kameras nicht sind und weil ich zivil arbeite, kann ich Dinge noch einmal ganz anders aufnehmen als Kameras.

Außerdem haben Kameras kein Gedächtnis. Man müsste der Software erstmal ein Gesicht geben, damit sie es findet. Wir können uns selbst weiterbilden durch Fahndungsportale und Kontakt zu anderen Fahndungsdienststellen. Man bastelt sich selbst ein Bilderbuch im Kopf.

Zu sehen ist der Bremer Hauptbahnhof.
Ronny Neumann arbeitet für die Bundespolizei am und im Bremer Hauptbahnhof. Bild: Radio Bremen

Wie sieht Ihr Berufsalltag aus?

Ich bin als Zivilfahnder hauptsächlich präventiv unterwegs. Ich schaue, wo Diebstähle passieren oder sich andere Dinge anbahnen. Zusätzlich gibt es Fahndungen, in die wir uns einlesen: Nach wem wird gefahndet im gesamten Norden? Wo gibt es Personen, deren Identität noch nicht aufgeklärt ist? Oft erkennen meine Kollegen und ich die Personen bereits direkt am Rechner, weil wir schon mit ihnen zu tun hatten. Aber es gibt auch welche, die uns unbekannt sind und die merken wir uns natürlich auch. Das ist dann immer ein kleiner Erfolg, wenn einem während des Dienstes eine Person im Bahnhof über den Weg läuft.

Können Sie Menschen auch wieder vergessen?

Wenn ich sie erst einmal wiedererkannt habe, sind sie wie eingebrannt. Es ist für viele auch erschreckend. Deswegen halte ich selbst mittlerweile Abstand von Menschen, die ich privat mal gesehen habe. Da sage nicht mehr jedem Hallo – auch wenn ich mich an sie erinnern kann. Mein Gegenüber hat eben nicht die gleiche Fähigkeit. Das wirkt dann schnell aufdringlich. Deswegen warte ich immer ab, ob die Person auf mich zukommt – und dann steige ich ein.

(Das Gespräch führte Immo Maus für buten un binnen TV. Aufgeschrieben und redigiert hat es Alec Gosewisch.)

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. September 2024, 19:30 Uhr