Interview
Wie erkenne ich Schlaganfall-Symptome und was ist zu tun?
Ein Schlaganfall ist die Folge einer Durchblutungsstörung im Gehirn – und hat oft massive Folgen. Zum Tag gegen den Schlaganfall klärt der Bremer Neurologe Andreas Kastrup auf.
Woran erkenne ich einen Schlaganfall? Und gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Für das Erkennen von Schlaganfällen gibt es den sogenannten FAST-Test. Den kann jeder ausführen, aber er wird auch von Rettungssanitätern angewendet. FAST steht als Abkürzung für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Denn die häufigsten Symptome bei Schlaganfällen sind einseitige Sehstörungen, Schwierigkeiten beim Sprechen, Lähmungs- oder Taubheitsgefühlen in den Armen oder auch Beinen sowie Schwindel. Wichtig ist natürlich bei einem Verdacht auf einen Schlaganfall keine Zeit zu verlieren und sofort den Krankenwagen zu rufen. Unterschiede zwischen Männer und Frauen gibt es nicht so sehr bei Schlaganfällen.
Wenn ich den Krankenwagen gerufen habe – was soll ich dann mit der Person machen? Muss ich als Ersthelfer noch etwas bestimmtes tun?
Das ist eine sehr gute und wichtige Frage. Man ist natürlich geneigt dazu, gerade, wenn es ein Angehöriger oder eine nahestehende Person ist, dass man viel machen möchte. Aber mit den Betroffenen sollte man eigentlich so gut wie gar nichts machen. Natürlich verhindern, dass sie sich irgendwie verletzen oder stürzen können. Was viel wichtiger ist, ist, dass man Informationen bereithält, die die Rettungssanitäter und dann die Ärzte brauchen. Medikamente, Kontaktdaten, Vorerkrankungen, das ist viel wichtiger – auch wenn es schwierig ist, wenn alle aufgeregt sind. Aber es ist später für Akut-Entscheidungen wichtig.
Wie viele Menschen erleiden denn pro Jahr einen Schlaganfall?
Wir haben in Deutschland 200.000 neue Schlaganfall-Patienten pro Jahr und insgesamt sind es 300.000 Schlaganfall-Patienten. Das sind dann auch welche, die schon einmal einen Schlaganfall hatten. In Bremen haben wir 2.000 Schlaganfall-Patienten im Jahr – im Bremer Stadtgebiet, ohne Bremerhaven.
Wo werden Schlaganfall-Patienten in Bremen behandelt?
In Bremen haben wir drei Schlaganfall-Einheiten, zwei regionale in Bremen-Nord und Bremen-Ost. Und dazu kommt dann noch unsere überregionale Einheit im Klinikum Bremen-Mitte. Wir versorgen ungefähr 550.000 Einwohner.
Welche Risikofaktoren gibt es für einen Schlaganfall?
Das Alter spielt eine große Rolle, das ist natürlich ein Risikofaktor, den wir nicht beeinflussen können. Und dann alle Patienten, deren Begleiterkrankung zu einer Verkalkung der Gefäße führen können: Bluthochdruck, Zucker-Erkrankungen, Herzrhythmusstörungen, erhöhte Blutfette, Bewegungsmangel – die klassischen Risikofaktoren eigentlich. Wenn die vorliegen, hat man ein erhöhtes Schlaganfallrisiko.
Was kann ich tun, um mich möglichst gut vor Schlaganfällen zu schützen?
Im Grunde ist das A und O, einen gesunden Lebensstil führen. Nicht rauchen, wenig Alkohol trinken, viel bewegen, gut ernähren. Und wenn man Risikofaktoren hat, zum Beispiel Bluthochdruck, den dann gut medizinisch behandeln. Zuckererkrankungen gut behandeln. Mit diesen Maßnahmen kann man das Schlaganfallrisiko – und das Herzinfarktrisiko – deutlich senken.
Selbst wenn man viele Jahre lang geraucht hat, sobald man damit aufhört, verringert sich das Schlaganfallrisiko innerhalb von zwei bis drei Jahren auf fast das Niveau, als hätte man nie eine Zigarette angefasst. Es lohnt sich also immer sein Leben noch zu ändern und ist nie zu spät.
Was sind die ersten Schritte im Krankenhaus, wenn jemand mit einem Schlaganfall bei Ihnen eingewiesen wird?
Wir haben zwei große Arten von Schlaganfällen. Wir haben einmal, dass das Gefäß von Innen verstopft ist. Das ist die häufigere Variante. Oder aber ein Gefäß ist geplatzt, dass ist aber etwas seltener. Ungefähr 20 Prozent der Fälle sind Blutungen und 80 Prozent sind Verstopfungen der Gefäße. Wir können diese beiden Arten klinisch nicht unterscheiden, das heißt, dass die Patienten die gleichen Symptome haben. Als erstes brauchen wir also eine Bildgebung. Da können wir sehen, ist ein Gefäß geplatzt? Das kann man sofort erkennen. Ein verschlossenes Gefäß sehen wir nicht immer, weil es manchmal ein paar Stunden dauern kann, bis man Frühzeichen auf den Bildern erkennen kann. Das ist das Erste, was wir machen.
Das Zweite ist, wenn wir glauben, dass ein Gefäß verstopft ist, dann gucken wir: Ist ein großes Blutgefäß betroffen. Wenn dem so ist, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten, es wieder aufzumachen. Nach der Bildgebung können wir entscheiden, ist das ein Patient, der jetzt eine Akuttherapie bekommen soll. Akuttherapie bei dem verstopften Gefäß heißt erst einmal ein Medikament zu geben, womit wir hoffen, das Gerinsel auflösen zu können oder wenn es ein großer Gefäßverschluss ist, können wir heutzutage mit einem Kathether hochgehen in das Gehirngefäß und dieses Blutgerinsel absaugen. Das sind die Entscheidungen, die in der Akutsituation anstehen.
Und wie geht es dann weiter?
Anschließend kommen die Patienten dann hoch auf die Schlaganfalleinheiten. Dort haben wir eine sehr engmaschige Überwachung: Blutdruck, Blutzucker, Temperatur. Und wir haben eben ein Team von Physiotherapeuten, Bewegungsspezialisten und Schluckspezialisten. Das ist der entscheidene Faktor. Viele Patienten haben ein hohes Risiko sich in den ersten Tagen zu verschlucken und dann eine schwere Lungenentzündung zu bekommen, die dann häufig tödlich endet. Das versuchen wir zu verhindern.
Im Anschluss bahnen wir dann je nach Fall eine Rehabilitation an und parallel untersuchen wir, weshalb es überhaupt zu einem Schlaganfall kommen konnte. Das wäre so der Gang eines Patienten im Krankenhaus.
Bei uns gehen so ungefähr 60 bis 70 Prozent der Patienten in eine Reha. Ungefähr zehn bis 20 Prozent, das sind jetzt mal geschätzte Zahlen, gehen nach Hause und zehn Prozent gehen in eine Pflegeeinrichtung oder dorthin wieder zurück.
Spielt die Genetik bei Schlaganfällen ein große Rolle?
Es gibt einen genetischen Faktor, aber der wird absolut überschätzt. In der Regel sind es die kombinierten ungesunden Lebensgewohnheiten, die familiär auch gehäuft sind, die eine viel viel größere Rolle spielen. Es gibt ganz selten klassische genetische Erkrankungen, die mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko einhergehen, aber das sind Raritäten. Das Entscheidende ist, dass man nicht sagt, oh, ich bin aber genetisch vorbelastet, ich kann nichts machen. Das stimmt in der Regel ja nicht.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 10. Mai 2024, 7:10 Uhr