Diese Bremerhavener Werft war einst eine Fahrradwerkstatt
Die kleine Sieghold-Werft wäre dieses Jahr 100 geworden. Ihre außergewöhnliche Geschichte erzählt eine Ausstellung im Historischen Museum in Bremerhaven.
Die schönsten fliegenden Schiffe von Bremerhaven hat zweifellos die Sieghold-Werft gebaut: Ein großes Foto an der Wand des Historischen Museums zeigt einen Frachter, der schwerelos über der Wasseroberfläche zu schweben scheint.
Die Bremerhavener Sieghold-Werft ist mittlerweile genauso Vergangenheit wie die großen Werften Rickmers und Seebeck in Bremerhaven – aber weit weniger bekannt. Dabei hatte sie einiges zu bieten: Frachter, Tanker, Schlepper und sogar Bohrinseln wurden auf der Werft gebaut.
Werft ging mutige Schritte
"Den ersten Rumpf haben sie mit zwei Kränen ins Wasser gehoben, ein sogenannter Stapelhub", erzählt Kai Kähler, Direktor des Histroischen Museums. "Das wurde später noch häufig gemacht, aber bei denen war es das erste Mal an den Unterweserhäfen."
Mit dem Bau der kleinen Küstenmotorfrachter ist Sieghold ab 1950 in den Schiffsneubau eingestiegen, das war was ganz Neues für die Werft. Da merkt man auch das unternehmerische Wagnis.
Kai Kähler, Museumsdirektor
Sieghold-Werft startete als Fahrradwerkstatt
Nicht zum ersten Mal machte damals die Werft mit Neuerungen von sich reden, erzählt Museumsdirektor Kai Kähler. Max Sieghold hatte seinen Betrieb 1924 gegründet und zunächst Fahrräder und Haushaltsgeräte repariert. Weil er sich als gelernter Maschinist aber auch mit Schiffsmaschinen auskannte, kümmerte er sich bald vor allem um die große Geestemünder Fischdampfer-Flotte. 1936 kaufte er ein Trockendock für seinen Betrieb – das erste in Bremerhaven. Ein Foto aus der Nachkriegszeit zeigt zwei Männer in karierten Hemden bei der Arbeit.
Pragmatisch, findig und etwas hemdsärmelig – im guten Sinne – wurde auf der Werft gearbeitet, sagt Kai Kähler. Sieghold baute Schiffe für Peru, die komplett zerlegt, nach Südamerika transportiert und dort von mitgereisten Mitarbeitern zusammengebaut wurden, außerdem Thunfischfangschiffe für den Senegal.
Globalisierung wurde Sieghold-Werft zum Verhängnis
Ab den 1960er-Jahren gehörten auch Bohrinseln zum Portfolio. Verträge wurden damals per Handschlag geschlossen, erzählt Kai Kähler, man kannte sich. Diese Zeit ging aber zu Ende, als in den 1970er-Jahren die Globalisierung einsetzte, in Asien billigere Schiffe gebaut wurden und große Unternehmen die Fischerei zu beherrschen begannen. Ein Bohrinsel-Auftrag brachte die Werft in Schieflage. 1988 wurde sie an den Bremer Werftenverbund verkauft.
Es gab damals einen Zeitungsbericht zur Schließung der Werft 1988, der war überschrieben mit "klein, fein und etwas altmodisch". Das traf es sehr fein. Die war eben klein, innovativ, sehr gut. Aber – die Zeit hat sich verändert gehabt.
Kai Kähler, Museumsdirektor
Hätte sie so lange durchgehalten, wäre die Werft in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden. Das hat nicht ganz geklappt. Aber sie bleibt im Bremerhavener Gedächtnis – nicht nur für ihre Bohrinseln und ihre fliegenden Schiffe.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Sonntag aus Bremerhaven, 22. Dezember 2024, 10:40 Uhr