Gartenexperte zur Trockenheit: Richtig Gießen statt Aktionismus
Der April war extrem trocken. In Bremen fielen nur drei Prozent der üblichen Regenmenge. Viele Hobbygärtner wässern, was das Zeug hält. Aber es geht auch anders, wie der Bremer Experte Carsten Siemering erklärt.
Wie haben Sie als passionierter Gärtner diesen trockenen April erlebt?
Gespannt und neugierig. Es hat den ganzen April noch nicht richtig geregnet, und man sieht es an den Pflanzen, wie sie reagieren. Einige Pflanzen gehen gar nicht richtig ins Laub, sondern versuchen schnell, sich zu vermehren durch Blütenbildung. Von daher gehe ich davon aus, dass dieses Jahr ein ganz trockenes werden wird.
Was machen Sie als Erstes, wenn Sie in dieser Phase in ihren Kleingarten kommen?
Erstmal rumgehen und aufmerksam beobachten und schauen: Was braucht die Pflanze? Und nicht gleich in übertriebenen Aktionismus verfallen und den Regner rausstellen. Lieber wirklich mal den Finger in die Erde stecken und gucken: Brauchen die Pflanzen überhaupt etwas? Ich kann auch mit Mulchmaterial, das den Boden bedeckt, dafür sorgen, dass der Boden nicht so schnell austrocknet.
Ich habe zum Beispiel eine frisch angelegte Kräuterspirale, auf die die Sonne stark scheint. Das ist natürlich gewollt, aber es kann eben auch passieren, dass die Pflanzen dann schnell vertrocknen. Aber mit Mulchmaterial, wie Holzschnitzel oder Grasschnitt, sorge ich dafür, dass die Verdunstungsfläche viel geringer ist. Und gleichzeitig sorgt dieses Material dafür, da es organisch ist, dass es die Speicherfähigkeit der Erde erhöht, wenn ich es später einarbeite.
Was ist denn beim Obst- und Gemüseanbau wichtig?
Da ist es wichtig, eine so genannte Unterpflanzung reinzubekommen oder auch mit Mulchmaterial zu arbeiten. Bei Erdbeeren ist das klassisch Stroh, das dient vor allem zur Vorbeugung von Pilzkrankheiten, aber es eignet sich auch ein Grasschnitt, den die meisten Gärtner ja auch übrig haben. Den lässt man einfach zwei Tage lang in der Sonne antrocknen, dann ist es ein hervorragendes Mulchmaterial.
Was kann man denn beim Gießen in einer trockenen Wetterperiode falsch machen?
Man sollte nicht unüberlegt in eine Hyperaktivität reingehen, denn so erzieht man seine Pflanzen genau ins Gegenteil. Wenn sie ständig gewässert werden, dann wollen sie immer wieder Wasser, und dann geht es ihnen schlecht, wenn sie es nicht bekommen. Wenn man ganz sorgsam immer nur ganz fein bewässert, dann kann man die Pflanzen auch anders erziehen.
Wenn die Pflanzen dicht stehen, wie beim Beerenobst zum Beispiel, da kann man Perl- oder Tropfschläuche verlegen. Das sind Schläuche mit einer Mikroperforation. Da geht tagsüber Tröpfchen für Tröpfchen raus und sorgt dafür, dass der Boden nicht austrocknet.
In dem Moment, wo ich aber etwas frisch angesät oder gepflanzt habe, ist Gießen wichtig, damit eine Wurzelbildung stattfinden kann. Dafür braucht man eine entsprechende Feuchtigkeit. Aber man sollte das nicht im Übermaß machen. Man kann beispielsweise auch über die so genannte Mikrobewässerung die Pflanzen erziehen, so dass sie gar nicht so einen hohen Wasserbedarf haben.
Wie geht denn das?
Bei Bäumen kann man das ganz tricky machen, indem man eine Wasserflasche nimmt und ein kleines Loch in den Deckel bohrt, etwa ein Millimeter groß. Dann zuschrauben und über Kopf in die Erde stecken. So geht wirklich pausenlos Tröpfchen für Tröpfchen das Wasser raus und das genügt der Pflanze. Die meisten Gärtner machen folgendes, wenn sie merken, es ist total trocken: Dann stellen sie ihren Viereck- oder Sektionsregner ein und machen eine Flächenbewässerung. Dabei kommt aber dreiviertel des Wassers gar nicht bei den Pflanzen an und ist somit für die Pflanzen nicht verfügbar. Das meiste verdunstet, wenn man es so großflächig verregnen lässt. Gleichzeitig geht es oft in die Erde und an den Pflanzen vorbei. Mein Tipp: Grundsätzlich entweder in den frühen Morgenstunden oder spät abends gießen. Besser als ein Sprenger ist auch eine bodennahe Bewässerung, zum Beispiel mit einem Gießstab. Das hat den Vorteil, dass der Verdunstungsanteil verschwindend gering ist.
Das heißt, ich kann mir meine Pflanzen und meinen Garten etwas umerziehen, um mit Trockenheit besser klarzukommen?
Ja, das geht zum Teil. Man kann sich aber auch Gedanken machen: Was brauche ich als Mensch und was die Natur? Nehmen wir als Beispiel den heiligen Rasen. Manchen wollen ja unbedingt so einen englischen Rasen mit Kurzhaarfrisur. Wenn ich den Rasen aber gar nicht so häufig mähe und ihn richtig schön hochstehen lasse – das muss ja nicht in eine Wiese ausufern – dann muss ich ihn viel weniger wässern.
Das heißt nach einem trocknen April wie diesem sind Sie noch ganz relaxed?
Im Moment ja, weil der nächste Regen angesagt ist. Aber: Wenn wir jetzt noch einen dritten Dürresommer bekommen, so wie die beiden letzten Jahre, dann sehe ich für einige Bäume und vor allem das Beerenobst richtig schwarz. Die haben schon jetzt Trockenheitsstress. Sie bilden gar nicht mehr so viele Blätter aus, sondern gehen möglichst schnell in die Blüte über und wollen sich vermehren in der Hoffnung auf ein besseres nächstes Jahr.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 29. April 2020, 8:20 Uhr