Türkisches Startup aus Bremen rettet seit 10 Jahren Menschenleben
Ein Herzinfarkt, ein Schlaganfall oder auch ein unglücklicher Sturz: Hilferufe können in Bremen seit zehn Jahren auch auf Türkisch abgesetzt werden, um Leben zu retten.
Edhem Dirlik geht es gut: Der 71-Jährige sitzt auf einem Ecksofa in seiner Wohnung in Bremen-Gröpelingen. Neben dem Fernseher steht eine Glasvitrine – und darauf sein Hausnotruf. Der ihm seit einigen Monaten viele Sorgen erspart hat. Dirlik erinnert sich gut an den Tag, an dem er seinen Herzinfarkt hatte: "Als ich den Herzinfarkt gehabt habe, war ich ganz allein zuhause." Zum Glück kam kurz darauf seine Frau zur Tür herein und hat über die 112 Hilfe geholt. "Sie hat mit mir gesprochen. Ich konnte leider nicht antworten."
Einen Moment dachte ich, es sei aus mit mir.
Edhem Dirlik, Rentner aus Gröpelingen
Nach dem Herzinfarkt hatte Dirlik große Angst davor, dass ihm so etwas wieder passieren würde und ihn dann aber niemand finden würde. Dann lernte er Emre Turgul kennen, der ihm seinen "SHS-Hausnotruf" nahelegte.
Der funktioniert, wie Hausnotrrufe meist funktionieren: über einen roten Knopf, den er an einem Band ums Handgelenk trägt. Der Knopf verbindet ihn über das Gerät mit einer Zentrale, die ihn auf Türkisch anspricht und Hilfe auf den Weg bringen kann.
Vor zehn Jahren in Bremen gegründet
Emre Turgul hat den deutsch-türkischen Hausnotruf vor zehn Jahren in Bremen gegründet. Inspiriert wurde der 34-Jährige zu dieser Geschäftsidee von seiner Großmutter. Die kam in den 1970er-Jahren als sogenannte Gastarbeiterin nach Bremen und arbeitete etwa 25 Jahre lang als Schweißerin bei der Vulkan-Werft.
Als seine Oma später pflegebedürftig wurde und eine starke Demenz entwickelte, erkannte er als Enkel, wie wertvoll ein Hausnotruf sein kann. Und ihm wurde schnell klar: "Das muss man auch anderen Leuten anbieten, die vielleicht nicht so gut Deutsch sprechen."
Die richtigen Worte können Leben retten
Nach seiner Ausbildung zum IT-Systemkaufmann und dem anschließenden Studium beschloss er, sein eigenes Unternehmen mit einem zweisprachigen Hausnotruf zu gründen. Durch seinen persönlichen Hintergrund kann er sich gut in Familien mit Betroffenen hineinversetzen.
Die richtige Sprache kann beim Absetzen eines Notrufs Leben retten, erklärt er: "Weil man in einer Notsituation nicht weiß, wie man reagiert, was man da sagt, wie man vorgehen muss." Nicht die richtigen Worte zu finden, kann im Zweifel lebensbedrohlich sein.
Die Firma sitzt in Bremen, der Notruf in Frankfurt
Seit Turgul den Hausnotruf gegründet hat, ist viel passiert: Das Unternehmen ist gewachsen, bildet aus und hat bundesweit mehrere Tausend Kundinnen und Kunden. Über seine Umsätze möchte er nicht reden, sagt aber, dass inzwischen auch viele deutsche Muttersprachler den Service in Anspruch nehmen. Das Verhältnis von deutsch- zu türkischsprachiger Kundschaft sei etwa 60 zu 40. Die Firma sitzt in der Bremer Überseestadt, die Notrufzentrale selbst in Frankfurt am Main.
Für die Zukunft plant Turgul, die Hausnotruf-Technologie weiterzuentwickeln. Er ist davon überzeugt, das der Einsatz solcher Systeme auch dem Fachkräftemangel entgegen wirken kann: Denn es könnte dabei helfen, Engpässe in der Pflege zu überbrücken, je länger Menschen selbstbestimmt zuhause leben können.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 29. November 2024, 11:38 Uhr