Hintergrund
Abgebaut und geraubt: Diese 10 Bremer Skulpturen hat es hart getroffen
Kunst im öffentlichen Raum prägt Bremen wie nur wenige andere Städte. Doch nicht allen Werken bekommt Frischluft gut. Welchen es schon an den Kragen ging, verraten wir hier.
Seit gut fünf Jahrzehnten gilt Bremen weit über die Landesgrenzen hinaus als Vorreiter für Kunst im öffentlichen Raum. "Bremen war 1973 die erste Stadt, die Kunst im kommunalen Raum als öffentliches Projekt aufgelegt hat", sagt Simone Ewald, im Kulturressort verantwortlich für die mittlerweile rund 650 Kunstwerke, die sich im Stadtgebiet verteilen. Bei einem Besuch in Wien habe ihr neulich eine Kollegin gesagt: "Bremen ist ja unser Mutterschiff für Kunst im öffentlichen Raum." Dies sei ein kulturelles Erbe der Stadt, das bewahrt werden müsse, sagt Ewald.
Doch das gelingt nicht immer. Denn die öffentliche Zugänglichkeit vieler Skulpturen führt auch immer wieder zu Problemen. Sie werden beschmiert, zerstört, abgebaut oder gar gestohlen. Dies sind die zehn prominentesten Fälle.
1 Das "Windobjekt" am Tiefer: Wo ist es hin?
2016 stellte die Stadt Bremen fest, dass die Arkaden am Tiefer bröckeln. Die alten Holzpfähle, die sie gestützt hatten, waren vergammelt. So wurde das über den Arkaden aus drei tonnenschweren T-förmigen Stahl-Elementen errichtete Kunstwerk "Windobjekt" im wörtlichen Sinne zur Belastung. Die Folge: Das 1978 errichtete Werk des Künstlers Hein Sinken wurde abgebaut.
Nach der schnellen Sanierung der Arkaden sollte es an den alten Platz zurückkehren. Mittlerweile sind aber bereits sieben Jahre vergangenen – und das Kunstwerk noch immer verschwunden. Wo es ist und wann es wiederkommt, verrät das Team von "buten un binnen ermittelt" in diesem Video.
2 Gestohlene "Bronzekissen" aus Woltmershausen
Dass eine Zwischenlagerung auch schieflaufen kann, zeigt ein Vorfall aus dem Juli 2022. Was war geschehen? Auf einem Betriebshof des Umweltbetriebs waren die so genannten "Bronzekissen" zwischengelagert worden. Sie schmückten zuvor mehrere Jahre lang eine Granitmauer auf dem Marktplatz in Woltmershausen. Auf dem Betriebshof blieben sie jedoch nicht lange. Diebe nahmen sie mit. Von den Kissen fehlt seither jede Spur.
3 Doppelter Skulpturen-Raub für den Metallwert
Besonders brutal gingen jene Täter vor, die im Februar 2023 fünf der sieben Skulpturen des Künstlers Siegfried Neuenhausen am Eingang des Osterholzer Friedhofs stahlen. Sie rissen die Figuren einfach von ihren Betonsockeln. Das Ensemble mit dem Namen "Tod, Solidarität mit den Trauernden, Überwindung der Trauer" war 1977 vom Künstler geschaffenen worden. Er hatte rund ein Jahr daran gearbeitet. Wer die Täter waren, hat die Polizei bis heute nicht herausgefunden.
Ein ähnliches Schicksal für mutmaßlichen Metallklau wiederfuhr im Mai 2022 zwei Bronzeskulpturen, die aus dem Nelson-Mandela-Park am Bahnhof gestohlen wurden. Auch sie waren 1977 aufgestellt worden. Geschaffen hatte sie der Syker Bildhauer Louis Niebuhr.
"Das sind alles Bronzeskulpturen gewesen, für die die Täter nach der Einschmelzung – wenn es gut lief – ein paar läppische hundert Euro bekommen haben", sagt Kunstkennerin Simone Ewald. Solche Diebstähle stünden in keinem Verhältnis zum Schaden, den sie anrichteten. "Den Stadtteilen wird so ein Stück ihrer Identität geklaut."
4 Der gemopste Hahn auf dem Siebenfaulenbrunnen
Die Bremer Stadtmusikanten auf dem Siebenfaulenbrunnen in der Böttcherstraße gehören ebenfalls zu jenen Skulpturen im öffentlichen Raum, denen keine Ruhe vergönnt bleibt. Vor allem auf den Hahn haben es Diebe seit Jahrzehnten abgesehen. 1957 wurde der Bronzegockel erstmals von Seeleuten abgebrochen und gestohlen. Wiedergefunden wurde er Wochen später im Hafen von Miami. Es folgten sieben weitere Diebstähle in den folgenden Jahrzehnten.
Wo der Hahn heute steckt, erklärt das Team von „buten un binnen ermittelt“ in diesem Video.
5 Auch den Esel hat es schon erwischt
Die bekannteste Bremer Stadtmusikanten-Skulptur hat es ebenfalls schon erwischt. 2017 wurde entdeckt, dass unbekannte Täter dem Esel die Buchstaben H, W und M auf die Nasenspitze gestanzt hatten.
Außerdem wurden Klebereste an seinem Hals gefunden. Das Kunstwerk musste mit hohem Aufwand repariert werden.
6 Theodor Körner – mit Leier und ohne Schwert
Eigentlich hält der Dichter und Freiheitskämpfer Theodor Körner (1791–1813) am Bremer Körnerwall gewöhnlich ein Schwert in der Hand. Dies kam ihm jedoch im April 2017 abhanden.
Vier Jahre später war dann auf einmal die ganze Skulptur samt Sockel verschwunden – doch nur zur Generalüberholung. Mit einem großen Kran wurde sie im Juli 2021 wieder auf den ebenfalls frisch sanierten Sockel gesetzt. Schwert und Leier, die er jetzt wieder beide in den Händen hält, sind nun besonders fest verankert. So soll das komplette Kunstwerk möglichst lange erhalten bleiben.
7 Verkehrschaos um Schweine, Hund und Hirte in der Sögestraße
Immer wieder muss auch der "Hirt mit Schweinen" in der Sögestraße auf eines seiner Tiere verzichten. Denn die Skulpturengruppe des Künstlers Peter Lehmann ist offenbar nicht für jeden Fahrzeugführer leicht zu umkurven. Zuletzt wurde eines der Ferkel 2021 von einem Lieferwagen angefahren. Das aus Messing gemachte Tier wurde zunächst mit rot-weißem Absperrband bandagiert, dann entfernt und restauriert. Sieben Jahre zuvor waren sogar gleich zwei der Schweine einem Lkw zum Opfer gefallen.
Und auch der bronzene Hütehund musste aufgrund einer wohl mutwillig gebrochenen Nase im Jahr 2019 die Sögestraße für einige Wochen verlassen. Seine Nase wurde in einer Gießerei gerichtet. Es war nicht der erste Notfall dieser Art. Schon 2011 war der Hund von einem Auto angefahren worden.
8 "Bronzemann" ohne Einkaufwagen
Selbst vor den beliebtesten Bremer Skulpturen macht der Vandalismus nicht halt. So traf es 2023 auch den "Bronzemann" in den Wallanlagen. Dessen Einkaufwagen war durch unbekannte Täter beschädigt worden. Er musste ersetzt werden. Auch einen Brandanschlag musste der Bronzemann schon über sich ergehen lassen. Die Täter blieben unbekannt.
Das gleiche gilt bis heute für den Künstler, der die Skulptur im Mai 2020 ohne Genehmigung der Behörden aufgestellt hatte – im Stil des britischen Künstlers Banksy.
9 30.000 Euro Schadenersatz für verschollene Skulptur
Dass hier und da eines der mehr als 600 Kunstwerke im öffentlichen Raum Bremens verschwindet, fällt mitunter nicht mal direkt auf. So erging es beispielsweise der tonnenschweren und strudelförmige Stahlskulptur "Semizirkel" am Weserwehr. Erschaffen hatte sie der Künstler Rolf Nolden 1994 im Zuge eines Bildhauer-Symposiums.
Nach Bauarbeiten am Weserwehr im Jahr 2008 war sie verschwunden – und wurde auch nicht wiedergefunden. Der Künstler zog daraufhin vor Gericht. Das Urteil: Die Stadt Bremen musste ihm 30.000 Euro Schadenersatz zahlen.
10 Verschwundenes Fohlen am Wehrschloss
In Sichtweite zum Weserwehr spielte sich noch ein ähnlicher Fall ab. Nahe des Wehrschlosses stand seit den 1950er Jahren eine Bronzefohlen des Künstlers Herbert Kubica. Auch dies verschwand im Zuge von Umbauarbeiten in den 2000er-Jahren. Wo sie hin ist, weiß offenbar niemand mehr. Die Kulturbehörde bezeichnet sie schlicht als "nicht mehr vorhanden".
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 26. Mai 2024, 19:30 Uhr