Bremerhavener Forscher finden mögliche Erklärung für Rekord-Hitze
Im vergangenen Jahr war es auf der Erde wärmer als je zuvor gemessen. Das könnte mit Wolken in geringer Höhe zusammen hängen, vermuten Forscher vom Alfred-Wegener-Institut.
Das vergangene Jahr brach alle Temperatur-Rekorde: Auf der Erde war es wärmer als je zuvor gemessen. Deutsche Wissenschaftler haben nun eine Idee, was zu dem großen Temperatursprung geführt haben könnte: Es gab weniger Wolken in geringer Höhe. Das sei aus der Analyse von Satellitendaten und der Anwendung von Computermodellen klargeworden, schreibt das Team aus Bremerhaven, Bonn und Bremen in der Fachzeitschrift "Science".
Als Hauptgrund für den stetigen Anstieg gelten die menschengemachten Treibhausgase. Zusätzlich gab es zuletzt noch andere Effekte: die derzeit erhöhte Aktivität der Sonne, das Wetterphänomen El Niño, vulkanische Aktivitäten und weniger Feinstaub über den Ozeanen. Das alles zusammen aber könne den Temperatursprung nicht vollständig erklären, meinen die Forscher.
Die globale mittlere Oberflächentemperatur lag im vergangenen Jahr bei nahezu 1,5 Grad Celsius über dem Vergleichszeitraum von 1850 bis 1900. Im Jahr davor hatte die Temperatur noch 0,3 Grad niedriger gelegen.
Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und seine Kollegen ermittelten aus den analysierten Daten einen ungewöhnlich hohen Wert für die aufgenommene Sonneneinstrahlung. Das ist gleichbedeutend mit einer geringen Rückstrahlkraft des Planeten, der sogenannten Albedo. Sie gibt den Anteil der Sonneneinstrahlung an, der ins Weltall zurückgeworfen wird.
Wolken kühlen die Erde
Viele Jahre haben sich Forschende vor allem mit der Albedo in den Polargebieten beschäftigt. Gibt es dort weniger helles Eis, sondern mehr dunkle Ozeanfläche, wird weniger Sonnenstrahlung reflektiert. Doch der Wandel in den Polarregionen erkläre den Rückgang der Oberflächenalbedo nur zu einem kleinen Teil, erklärt Gößling. Deswegen schauten sich die Forscher die Wolken an.
Hohe Wolken kühlen die Erde, weil sie an der Oberseite Sonnenlicht reflektieren. Sie erzeugen aber auch einen wärmenden Effekt, weil sie von der Erde abgestrahlte Wärme in der Atmosphäre halten. Bei niedrigen Wolken fehlt der Wärmeeffekt weitestgehend.
Gibt es weniger niedrigere Wolken, verlieren wir nur den Kühleffekt, es wird also wärmer
Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven
Für das vergangene Jahr zeigten Satellitenaufzeichnungen den niedrigsten Wert für niedrige Wolken seit dem Jahr 2000 an. Der Rückgang tief hängender Wolken war in den Tropen und in den mittleren Breiten der nördlichen Erdhalbkugel besonders ausgeprägt.
"Auffallend ist, dass der östliche Nordatlantik, der einer der Haupttreiber für den jüngsten Anstieg der globalen Mitteltemperatur ist, nicht nur 2023 einen deutlichen Rückgang von niedrigen Wolken verzeichnete, sondern – wie fast der gesamte Atlantik – bereits in den letzten zehn Jahren", sagt Gößling. 2023 zeigte sich also eine extreme Ausprägung eines mehrjährigen Trends.
Ursache für Rückgang der Wolken unklar
Derzeit ist laut den Wissenschaftlern noch nicht klar, was zur Verringerung der niedrigen Wolken führt. Im vergangenen Jahr haben schwächere Winde besonders wenig Saharastaub auf den Atlantik hinausgetragen. Zudem könnten strengere Auflagen beim Schiffsdiesel zu einem geringeren Feinpartikelausstoß geführt haben. Beide Entwicklungen bedeuten weniger
Schwebteilchen in der Luft, an denen sich Wasser niederschlagen könnte, wodurch sich Wolken bilden.
Doch die Studienautoren vermuten noch ein anderes Phänomen: Der Klimawandel selbst könnte erheblich zur Reduzierung niedriger Wolken beitragen. Die Forscher verweisen auf Studien, die gezeigt haben, dass die Erwärmung der Meeresoberfläche die niedrige Wolkenbedeckung verringern kann.
"Sofern hinter dem Albedo-Rückgang eine verstärkende Rückkopplung zwischen Erderwärmung und Wolken steckt, wie auch einige Klimamodelle nahelegen, müssen wir mit einer recht starken zukünftigen Erwärmung rechnen", betont Gößling. Die Erde könnte deshalb einer globalen Erderwärmung von mehr als 1,5 Grad bereits näher sein als bislang gedacht.
Quelle: dpa.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 6. Dezember 2024, 6 Uhr