Infografik
"Katastrophaler Zustand": Bremer Staatsanwaltschaft schlägt Alarm
Der Bremische Richterbund warnt davor, dass Bremen eine Oase für Kriminelle werden könnte. Der Staatsanwaltschaft fehlt ein Drittel des Personals – und Ermittlungen dauern länger.
Nach dem offenen Brief der Neuen Richtervereinigung zum Personalmangel in der Justiz Anfang Januar erklärt jetzt Justizstaatsrat Björn Tschöpe (SPD), er fordere für die nächsten Haushaltsberatungen mindestens 20 neue Stellen.
Warum ist die Bremer Staatsanwaltschaft so sehr überlastet?
Weil die Fallzahlen deutlich angestiegen sind. Waren es in 2022 noch 61.000 neue Fälle, hatte die Bremer Staatsanwaltschaft 2024 mit 78.000 neuen Fällen zu tun – eine immense Steigerung, wie die Staatsanwaltschaft erklärt. Und sie sei auch der Grund für den großen Personalmangel, obwohl es natürlich auch auf die jeweiligen Verfahren ankomme, wie viel Personal für sie benötigt werde. Mit der Polizeilichen Kriminalstatistik lässt sich der hohe Anstieg noch nicht abgleichen, da diese für das Jahr 2024 bisher nicht veröffentlicht wurde.
Wie groß ist die Personalnot?
Jede dritte Stelle fehlt. Laut Personal-Berechnungssystem des Bremer Justizressorts ist die Staatsanwaltschaft mit knapp 67 Prozent Personaldecke in einer prekären Lage. Zum Vergleich: Die Personalversorgung am Bremer Amtsgericht liegt bei rund 89 Prozent, beim Landgericht bei 112 Prozent.
Wie steht Bremen im Vergleich zu anderen Stadtstaaten da?
Schlecht. Einer Erhebung des Statistischen Bundesamts zufolge gibt es in Bremen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften pro 1.000 Einwohner 1,51 Beschäftige. Zum Vergleich: In Hamburg sind es 2,14, in Berlin 2,29.
Wie wirkt sich der Personalmangel aus?
Die Beschäftigten haben keine Chance auf einen leeren Schreibtisch, erklärt die Staatsanwaltschaft. Nach dem Urlaub müssen sie Akten-Eingänge nacharbeiten, weil es keine Vertretung gibt. Eine Verjährung wegen Personalmangel sei jedoch so gut wie ausgeschlossen, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Ob es doch mal vorkomme, dazu gebe es keine Statistik. Außerdem sei der Krankenstand hoch, und nicht auszuschließen, dass das mit der Personalknappheit zusammenhängt.
Was bedeutet der Personalmangel für Täter und Opfer?
Wenn weder Zeit noch Kraft da sind, Ermittlungen adäquat voran zu treiben, werden Verfahren möglicherweise schneller eingestellt. Aus der Not werde über die Schmerzgrenze hinaus eingestellt, kritisiert der Bremische Richterbund. Der Vorsitzende Benjamin Bünemann spricht von einem "katastrophalen Zustand".
Man kann sagen, dass die Zeiten für Kriminelle gerade günstig sind in Bremen. Weil Verfahren eingestellt werden und Straftaten nicht aufgeklärt werden können.
Benjamin Bünemann, Vorsitzender des Bremischen Richterbunds
Außerdem dauert es länger, bis beispielsweise nach einem Einbruch mit ermittelter, mutmaßlicher Täterschaft Anklage erhoben wird, kritisiert die Opferhilfeorganisation Weißer Ring. Das kann Menschen retraumatisieren.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 30. Januar 2025, 19:30 Uhr