Fünf Jahre Corona: Was Bremen heute besser machen könnte
Fünf Jahre Corona: Was Bremen heute besser machen könnte
Wissenschaftler sind sich einig: Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Was müsste dann besser laufen? Die Bremer Forscher Hajo Zeeb und Klaus Boehnke machen Vorschläge.
Fünf Jahre ist es her – da wurde in den Vereinigten Staaten der erste Mensch gegen Corona geimpft. Eine Woche später verhängte die deutsche Bundesregierung um Kanzlerin Angela Merkel den ersten bundesweiten Corona-Lockdown. Woher das Virus kam, ist bis heute umstritten. Unstrittig unter Wissenschaftlern dagegen ist: Die Corona-Pandemie wird nicht die letzte Seuche gewesen sein, die weltweit für Angst und Schrecken sorgt. Weitere Pandemien werden folgen, wegen der wachsenden Weltbevölkerung und einer fortschreitenden Globalisierung vermutlich sogar in kürzerer Abfolge als bislang.
Umso dringlicher die Frage: Was haben wir aus der Corona-Pandemie gelernt? Was müsste beim nächsten Mal besser laufen? Wie sollten wir uns auf neue Seuchen vorbereiten? buten un binnen hat den Epidemiologen Hajo Zeeb von der Uni Bremen und den Sozialwissenschaftler Klaus Boehnke von der Constructor University Bremen gefragt. Boehnke forscht unter anderem zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Was haben wir in der Pandemie richtig gemacht und sollten es bei einer neuen, ähnlichen Katastrophe genauso machen?
Zu Beginn der Pandemie – so zumindest sieht es Hajo Zeeb – hätten Politik und Gesellschaft in Deutschland viel richtig gemacht. "Man wusste noch sehr wenig über Corona, sah die schrecklichen Bilder mit den Toten aus Italien. Was hätte man da anders machen sollen?", fragt Zeeb rhetorisch mit Blick auf den ersten Lockdown: "Man musste den Bevölkerungsschutz hochfahren. Es war gut, dass Bund und Länder da schnell gehandelt haben. Deshalb haben wir die erste Welle vergleichsweise gut gemeistert."
Auch die Impfkampagne sei gut angelaufen, nicht zuletzt dank einer hohen Bereitschaft in der Bevölkerung. Dann allerdings hätten die Politik und auch viele Wissenschaftler einige schwerwiegende Fehler gemacht.

Was haben Politiker und ihre wissenschaftlichen Berater in Deutschland falsch gemacht?
"Man hätte den Menschen nicht versprechen dürfen, dass wir mit den Impfungen die Pandemie einfach beenden können", blickt Zeeb zurück und fügt hinzu: "Das hatten wir gehofft. Aber wissen konnten wir das nicht – und lagen ja auch nicht richtig." Zwar sei die Impfkampagne insgesamt in Deutschland sehr erfolgreich gewesen und habe die Bevölkerung vor Schlimmerem bewahrt. Das Ende der Pandemie aber habe sie eben nicht bedeutet.
Durch eben dieses nicht gehaltene Versprechen vom Ende der Seuche hätten Politik und auch Wissenschaft Vertrauen in der Bevölkerung verloren. Weitere Kommunikationsfehler seien hinzugekommen. Alles zusammen habe den Kampf gegen die vielen Desinformationen, wie sie etwa von Corona-Leugnern verbreitet wurden, erheblich erschwert.

Welche grundsätzlichen Fehler aus der Corona-Zeit sollte die Politik im Falle einer neuen Pandemie unbedingt vermeiden?
Der Bremer Sozialwissenschaftler Klaus Boehnke kritisiert, dass Bund und Länder den Menschen in der Corona-Pandemie Angst eingeflößt hätten. "Ich möchte gar nicht die Kontaktbeschränkungen aus der Corona-Pandemie als solche infrage stellen. Aber die Schärfe, mit der sie durchgesetzt worden sind, hat Spuren bei den Menschen hinterlassen", so Boehnke. Er verweist beispielhaft auf Reiterstaffeln, die zeitweise zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein die Ländergrenzen überwacht hätten.
"Wenn ich mit anderen Menschen in Kontakt trete, ist das schlecht", sei die Botschaft derartiger Aktionen gewesen: eine Aussage, die sich unterschwellig auch über die Pandemie hinaus in den Köpfen festgesetzt habe – sehr zum Leidwesen des Miteinanders. So habe der gesellschaftliche Zusammenhalt durch die Pandemie nachweislich gelitten, erklärt Boehnke. Er stützt sich dabei auf eigene Forschungsergebnisse.
Welche Schlüsse sollten wir aus diesen Fehlern ziehen?
Boehnke glaubt, dass Politik und Gesellschaft im Falle einer neuen Pandemie stärker auf die Bereitschaft der Menschen setzen sollte, Schutzmaßnahmen mitzutragen. Das rigide Durchsetzen etwa von Kontaktbeschränkungen könne kurzfristig zu Trotzreaktionen wie dem Leugnen der Seuche führen. Langfristig schade es dem Vertrauen in den Staat und der Solidarität unter den Menschen.
Zeeb fände es sinnvoll, ein unabhängiges Beratungsgremium zu etablieren, das die Politik von Beginn an berät. Am besten wäre, man würde dieses Gremium bereits jetzt zusammenstellen – und nicht erst, wenn der nächste Katastrophenfall eintritt. Wichtig findet Zeeb zudem, dass das Gremium dieses Mal breit aufgestellt wird. "Da sollten nicht nur Virologen und Modellierer, sondern auch Schülervertreter, Pädagogen, Pflegekräfte, Sozialforscher und Psychologen mitwirken", so Zeeb: "Die Politik braucht ein derartiges Gremium, um Vertrauen zu sichern."

Was sollten wir aufgrund unserer Erfahrungen mit Corona am Gesundheitssystem verbessern?
Zeeb fordert, dass Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Pflegeheime krisenfester gemacht werden. Im Falle der Schulen denkt er dabei vor allem an die Möglichkeit, den digitalen Unterricht weiterzuentwickeln.
Den Krankenhäusern wäre Zeeb zufolge unter anderem geholfen, wenn die Universitätskliniken ihren Austausch über Forschungsvorhaben verbessern. "Da gab es in der Corona-Zeit Parallelstrukturen", blickt er zurück. Auch gelte es, die Digitalisierung der Gesundheitsämter weiter voranzutreiben. Davon würden letztlich auch Krankenhäuser und Pflegeheime profitieren.
Apropos Pflegeheime: Sie müssten sich strukturell darauf vorbereiten, menschenfreundlicher als bei Corona Personen isolieren zu können. "Man muss die Kontaktsperren mit Augenmaß auslegen", sagt Zeeb etwa. Todkranke alte Menschen müssten die Möglichkeit bekommen, ihre Angehörigen zu sehen.
Was müsste auf internationalem Parkett geschehen, damit wir auf künftige Pandemien besser vorbereitet sind?
In der Corona-Pandemie seien die armen Länder bei der Verteilung von Impfstoffen und bei der Patentvergabe benachteiligt worden, sagt Zeeb. "Das hätte nicht sein dürfen und sollte nicht wieder geschehen", fügt er hinzu.
Abhilfe könnte hierbei ein Pandemievertrag schaffen unter der Schirmherrschaft der Weltgesundheitsorganisation WHO. Er soll ein koordiniertes Vorgehen aller 194 Mitgliedsstaaten im Kampf gegen Pandemien und Infektionskrankheiten regeln. Das Problem: Der Vertrag, den die WHO in seiner ersten Fassung bereits 2021 vorgestellt hat, ist noch immer nicht unter Dach und Fach. Ein Knackpunkt: Die Patentrechte für Impfstoffe. Zeeb hofft, dass sich die Mitglieder der WHO dennoch bald auf einen Pandemievertrag einigen.
Fünf Jahre später: Wie sich Bremer an die Corona-Pandemie erinnern
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 16. März 2025, 9:40 Uhr