Interview

Bremer Faktencheckerin erklärt: Das bedeutet die Meta-Änderung

Smartphone mit aufgedeckter Falschinformation in einem sozialen Netzwerk (Symbolbild)

Konzern Meta will Kooperation mit Faktencheckern in USA beenden

Bild: Imago | Christian Ohde

Der Mutterkonzern von Facebook und Instagram will Beiträge nicht mehr auf Richtigkeit überprüfen lassen. Eine Bremer Faktencheckerin erklärt, was sich für Nutzer ändert.

Der Konzern Meta, zu dem soziale Netzwerke wie Instagram und Facebook gehören, hat angekündigt, seine Zusammenarbeit mit externen Faktencheckern in den USA beenden zu wollen. Seit 2016 setzte das Unternehmen auf ein Faktencheck-System, das unabhängige Organisationen in zahlreichen Ländern und Sprachen einbindet, um Falschinformationen zu kennzeichnen. In Zukunft sollen Nutzerinnen und Nutzer falsche Aussagen selbst kommentieren können. Was das für Nutzer in Deutschland bedeutet und wie Faktenchecker arbeiten, erklärt die Bremerin Alice Echtermann, Leiterin des Faktencheck-Teams beim Medienhaus Correctiv.

Porträt von Alice Echtermann
Die Bremerin Alice Echtermann leitet seit 2020 das Faktencheck-Team bei Correctiv. Bild: Alice Echtermann

Frau Echtermann, was machen Faktencheckerinnen und Faktenchecker bei Instagram und Facebook? Wie arbeiten Sie?

Es gibt seit vielen Jahren, im Fall von Correctiv seit 2017, eine Kooperation mit dem Konzern Meta. Die beinhaltet, dass unsere Faktenchecks, also die Artikel, die wir recherchieren und auf unserer eigenen Webseite veröffentlichen, versendet werden, um sie mit Beiträgen auf den Plattformen Facebook, Instagram und Threads zu verknüpfen. Die Verknüpfung geschieht über ein Warn-Label. Über den jeweiligen Postings in den sozialen Netzwerken erscheint dann ein Warnhinweis: 'Falsche Information. Geprüft von Faktencheckern'. Dieses Label verlinkt dann auf unseren Artikel, wo man sich ausführlich durchlesen kann, warum die Informationen falsch sind, welche Aspekte davon, welche Quellen bei der Recherche verwendet wurden und so weiter.

Diese Kooperation von Meta, das Third-Party-Factchecking-Programm, gibt es weltweit, und wird mit unabhängigen Faktencheck-Organisationen ausgeführt. Da geht es um Organisationen, die zertifiziert sind, die nach festgelegten Kriterien und Standards arbeiten und auch eine Art Gütesiegel verliehen bekommen haben vom International Factchecking Network (unabhängiges Netzwerk für Faktenchecks, Anm. d. Red.). Das heißt, da wird regelmäßig überprüft: Arbeitet die Organisation unabhängig, transparent, werden Standards eingehalten, ist sie nicht politisch motiviert, checkt sie Informationen aus verschiedenen politischen Richtungen?

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Machen Faktenchecker ihre Arbeitsweise in den Beiträgen transparent?

In unseren Artikeln wird ganz genau erklärt, wie wir recherchiert haben, welche Quellen wir verwendet haben. Die Quellen werden alle verlinkt und so zur Verfügung gestellt. Leserinnen und Leser können nachlesen, woher wir unsere Informationen haben, anonyme Quellen gibt es in Faktenchecks nicht. Wir haben grundsätzlich auch die Erfahrung gemacht, dass diese Art von Aufklärung wirkt. Menschen wollen wissen, warum eine Information falsch ist und wir geben ihnen diese Begründung in Form des Faktenchecks.

Meta hat erstmal angekündigt, in den USA nicht mehr mit externen Faktencheckern zusammenzuarbeiten. Was ändert sich jetzt für Nutzer in Deutschland?

Jetzt ändert sich erstmal nichts. Diese Änderung ist eine Produktänderung, die Meta in den USA umsetzen will. Nach unseren Informationen wird das in den nächsten Monaten geschehen. Da wird der Konzern stattdessen sogenannte Community Notes testen. Das sind Beiträge, wo alle Nutzerinnen und Nutzer in den Netzwerken Anmerkungen machen können zu Postings, sollten diese falsch sein. Nach dem Vorbild des Kurznachrichtendienstes X, vormals Twitter, sollen dann da auch Labels dran sein. Sie sollen aber wesentlich weniger prominent sein, wenn ich das richtig verstanden habe. Und sie sollen auch nicht überprüft werden, sondern die Community eines sozialen Netzwerks selbst, also alle Menschen, können dann zu diesen Kommentaren beitragen und bewerten: Ist das nützlich oder nicht? Das soll der Ersatz sein für die professionellen Faktenchecks. Diese Änderung gibt es aber erstmal in Deutschland für Nutzerinnen und Nutzer nicht. Wann oder ob sie in Europa kommt, ist fraglich, das wissen wir nicht.

In den sogenannten Community Notes müssen Nutzer also keine Standards befolgen oder offenlegen, welche Quellen sie benutzt haben?

Bei X ist es so, dass Quellen meistens angegeben werden in Form von Links. Aber es gibt keine journalistischen Standards und vor allem gibt es keine Kontrolle von politischer Unabhängigkeit. Bei unseren Faktencheck-Zertifizierungen geht es ganz oft darum, Checks zu Statements aus unterschiedlichen politischen Richtungen zu machen. Bei einer Community überprüft niemand die Motivation oder die Dynamiken, die dahinter stecken. Deshalb ist das aus unserer Sicht auch kein adäquater Ersatz.

Wenn in einigen Monaten keine Faktenchecker mehr eingesetzt werden, sondern Community-Mitglieder kommentieren können, kann dann jeder, der in den USA diese Netzwerke nutzt, alles behaupten?

Es gibt einen Unterschied zwischen Falschinformation und strafrechtlich relevanten Inhalten. So etwas wie Beleidigung, Verleumdung oder Hassrede ist ganz klar strafrechtlich geregelt, zumindest in Deutschland. Die Gesetzeslage in den USA kenne ich nicht. In Deutschland und Europa ist durch den Digital Services Act (EU-weit geltendes Gesetz über digitale Dienste, Anm. d. Red.) ziemlich klar geregelt: Plattformen müssen Hassrede und andere rechtswidrige Inhalte entfernen. Aber das betrifft nicht Falschinformationen. Diese sind per se nicht verboten. Sie sind vielleicht auf andere Weise schädlich, deswegen gibt es eben diese Faktencheck-Programme, und die Bemühungen, Faktenchecker zu unterstützen, weil Falschinformationen nicht einfach gelöscht werden sollen. Sondern sie sollen mit Labels versehen werden – aus unserer Sicht eine sinnvolle Maßnahme –, die die Menschen darüber aufklären, warum das falsch ist, problematisch ist und man es nicht teilen sollte.

Können Nutzer dann auch jeden beschimpfen oder verleumden?

Was für Auswirkungen die Änderungen bei Meta auf Hassrede und rechtswidrige Inhalte haben kann, das kann ich jetzt noch nicht abschätzen. Tatsächlich hat Mark Zuckerberg (Meta-Chef, Anm. d. Red.) im Zusammenhang mit der Änderung, dass sie nicht mehr mit Faktencheckern kooperieren wollen, auch angekündigt, dass sie weitere Produktänderungen vornehmen wollen. Sie wollen Beschränkungen bestimmter problematischer Themen, die sie bisher hatten, auch zurücknehmen. Das heißt, es kann passieren, dass es zu einer größeren Menge rechtswidriger Inhalte auf Facebook oder Instagram kommt, weil man nicht mehr so stark moderieren und solche Inhalte auch nicht mehr technisch identifizieren und zurückstufen will. Das sind problematische Entwicklungen, die aber unabhängig von Falschinformationen zu sehen sind.

Autorin

  • Patel Verena
    Verena Patel Redakteurin und Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 7. Januar 2025, 15 Uhr