Interview

Bremer Arzt macht Hoffnung: "Krebs ist heute kein Todesurteil mehr"

Hände halten die Hand eines Patienten
Eine Krebserkrankung wird heute bei jedem Menschen individuell behandelt. Bild: Imago | Science Photo Library

Die Corona-Pandemie hat die Krebsvorsorge vieler Menschen erschwert. Doch der ehemalige Gefäßchirurg Heiner Wenk macht Erkrankten Mut. Das sind die Gründe.

Heiner Wenk ist Vorsitzender der Bremer Krebsgesellschaft. Zum Weltkrebstag erklärt der Arzt und ehemalige Gefäßchirurg im Klinikum Bremen-Nord, wie sich der Umgang mit der Erkrankung in den vergangenen Jahrzehnten und währende der Pandemie verändert hat – und was das auch für Bremerinnen und Bremer bedeutet.

Herr Wenk, die Corona-Pandemie ist offenbar vorbei. Kann jetzt der Kampf gegen den Krebs erst wieder richtig beginnen?

Naja, der Kampf hat auch in der Corona-Zeit nie aufgehört. Die Situation während der Pandemie hat uns aber immer wieder ins Bewusstsein gebracht, dass Untersuchungen zur Krebsvorsorge und Krebsfrüherkennung nicht vernachlässigt werden dürfen. Wir wissen, dass die Vorsorgeuntersuchungen während der Pandemie zurückgegangen sind. Und wir wissen auch, dass das Folgen hatte.

Heiner Wenk ist Vorsitzender der Bremer Krebsgesellschaft.
Heiner Wenk ist Vorsitzender der Bremer Krebsgesellschaft. Als Chrirurg arbeitete er lange am Klinikum Bremen Nord, zuletzt als medizinischer Direktor der Klinik Lilienthal. Bild: Bremer Krebsgesellschaft

Von welchen Folgen sprechen Sie?

Wer nicht zur Vorsorge geht, trägt ein höheres Risiko. Eine groß angelegte, während der Pandemie veröffentlichte Studie des British Medical Journals kommt zu dem Schluss, dass schon ein vierwöchiger Verzug bei der Behandlung von Krebs mit einem signifikanten Anstieg der Sterblichkeit einhergeht.

Und ich habe es auch selbst am Klinikum Nord erlebt. Dort waren die Patienten, die zu uns kamen, schwerer erkrankt und in fortgeschritteneren Stadien als in früheren Jahren, sowohl bei den Tumorerkrankungen als auch bei den entzündlichen Erkrankungen.

Mit Biontech und Moderna haben ausgerechnet jene Unternehmen einen Corona-Impfstoff entwickelt, die zuvor an Krebs-Heilmitteln geforscht haben. Ermutigen Sie diese Erfolge?

Ich denke schon. Wir haben ja sogar schon Impfstoffe, mit denen wir beispielsweise Gebärmutterhalskrebs vermeiden können, der an Mädchen verimpft wird. Generell gilt für Krebserkrankungen, wenn man sie medikamentös behandelt: Ein gutes Prinzip ist, wenn man die Tumorzellen für das körpereigene Immunsystem erkennbar macht…

…so wie es im Prinzip bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Morderna der Fall ist.

Ja. Da gibt es in der Onkologie verschiede Medikamente, die das schon können. Die Zukunft der Krebsbehandlung wird sein, dass unser Immunsystem gesunde Zellen von Tumorzellen unterschieden kann. Die mRNA-Methode ist daher ein entscheidender Schritt bei der Krebsbehandlung. Das wird Chirurgie und Strahlentherapie weiter in den Hintergrund drängen.

Gibt es heute Krebsarten, die heilbar oder beherrschbar sind, die in früheren Jahren den sicheren Tod bedeutet hätten?

Als ich angefangen habe mit Chirurgie, wenn da zum Beispiel jemand Lebermetastasen hatte, dann war das in den meisten Fällen ein Todesurteil. Das ist heute nicht mehr so. Die Behandlung von Krebs wird auch immer differenzierter. Es werden nicht nur verschiedene Krebserkrankungen unterschiedlich behandelt, sondern auch die einzelnen Tumorstadien. Wir sprechen heute von einer individualisierten Krebsbehandlung.

Ein Mediziner beobachtet auf einem Monitor das Querschnittsbild einer Prostata.
Ein Mediziner beobachtet auf einem Monitor das Querschnittsbild einer Prostata. Prostatakrebs gehört zu den häufigsten Krebsarten bei Männern. Bild: dpa | Uwe Anspach

Ganz generell kann man wohl sagen, dass Krebserkrankungen heute kein Todesurteil mehr sind. Wir alle werden uns aber damit abfinden müssen, dass wir in unserem Leben mit dieser Erkrankung konfrontiert werden. Das wird dann behandelt. Und das kann man aber überleben.

Und dann weitermachen wie vorher?

Eines der Projekte der Bremer Krebsgesellschaft ist die Wiedereingliederung der Menschen in das Berufsleben. Das ist praktisch ein Berufslotsenprojekt, um wieder ins Berufsleben einzusteigen. Auch das gehört heute im Umgang mit Krebs dazu.

Das ist vor allem Nachsorge. Wie sieht es mit der Vorsorge aus?

Die ist nach wie vor wichtig. Beim Dickdarmkrebs, der zweithäufigsten krebsbedingten Todesursache in Deutschland, wissen wir heute zum Beispiel ziemlich genau, wie lange es dauert, bis ein bösartiger Tumor entsteht. Wenn die Polypen, die diesen Krebs verursachen, frühzeitig bei einer Darmspiegelung entdeckt werden, stehen die Heilungschancen gut. Daher ist für solche Krebserkrankungen die Vorsorge so wichtig.

Was ist für Frauen, was für Männer die wichtigste Krebsvorsorge?

Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Tumorerkrankung. Da ist das Mammographie-Screening eine gute Methode, auf die Frauen ab 50 Jahren auch einen gesetzlichen Anspruch haben. Beim Mann ist vermutlich der Prostatakrebs eine der häufigsten Tumorerkrankungen. Sie sollten daher regelmäßig ihren Urologen besuchen. Ab dem 45. Lebensjahr zahlt die Krankenkasse die Untersuchung.

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