Interview
Baumann zum Werder-Abschied: "Möchte mir alle Optionen offenhalten"
Frank Baumann nimmt sich eine Auszeit vom Fußballgeschäft. Was der 48-Jährige nach 25 Jahren Werder vorhat und ob er noch einmal zurückkehrt, erzählt er buten un binnen.
Sein Büro im Weser-Stadion hat Frank Baumann noch nicht ausgeräumt. Ein paar Termine stehen in den nächsten Tagen für ihn noch an, seine letzten als Werders Geschäftsführer Sport. Baumann nimmt sich eine Auszeit, für mindestens ein Jahr.
"Die Übergabe mit Clemens Fritz wird noch erfolgen", erzählt der 48-jährige Baumann im Interview mit buten un binnen: "In den ersten Junitagen habe ich meinen letzten Bürotag, dann räume ich aus. Mit Sicherheit lasse ich Clemens noch ein paar Sachen da. Ob er etwas damit anfangen kann, wird sich zeigen."
Nach fast 25 Jahren bei Werder Bremen ist nun erst einmal Schluss. Ob ihm der Abschied schwer fällt und wie die Pläne für sein Sabbatical aussehen, erzählt Baumann im Interview.
Frank Baumann, mit welchen Gefühlen verlassen Sie Werder und das Fußballgeschäft?
Ich habe natürlich ein weinendes und lachendes Auge. Die vielen Kollegen, die man teilweise 25 Jahre lange jeden Tag gesehen hat. Und es war für mich immer ein Privileg, im Weser-Stadion arbeiten zu dürfen. Aber das lachende Auge ist definitiv da. Ich freue mich, endlich selbstbestimmt zu leben und spontan zu entscheiden, ob man am Wochenende mal hier oder dort hinfährt. Mal einen entspannten Urlaub zu haben, den man komplett genießen kann. Zu Geburtstagsfeiern zu gehen. Alles zu machen, was in den letzten 13 Jahren zu kurz kam. Die Vorfreude ist größer als die Wehmut.
Am vergangenen Samstag sind Sie vor dem Spiel im Weser-Stadion verabschiedet worden. Wie war das für Sie?
Es war sehr viel Wertschätzung, ist bin da sehr dankbar, dass die Werder-Fans mir so einen Abschied bereitet haben. Das ist nicht selbstverständlich, dass man als Geschäftsführer unten auf dem Rasen verabschiedet wird. Das war einfach nicht mehr meine Bühne, eher das Büro. Und die große Bühne brauche ich nicht. Aber es war insgesamt ein sehr gelungener Tag, wir haben den Spagat zwischen den emotionalen Dingen und dem Fokus auf ein ganz wichtiges, letztes Heimspiel gut hinbekommen.
Es war eine sehr warmherzige Atmosphäre, es gab viel Applaus.
Es ist ja bekannt, dass es auch andere Phasen gab. Insbesondere mit dem Abstieg stand ich als sportlicher Verantwortlicher besonders in der Kritik. Das ist so. Mir war es da aber wichtig, nicht wegzulaufen und mich der Kritik zu stellen.
Hat Sie die Situation damals belastet?
Die wirtschaftliche Situation nach dem Abstieg hat mich ehrlicherweise noch mehr belastet. Einen Abstieg kann man reparieren, aber eine Insolvenz, die zwischenzeitlich auch mal im Raum stand, ist eben nicht so leicht wieder zu reparieren. Der Druck und die Verantwortung für diese wirtschaftliche Situation war noch deutlich belastender als die sportliche Situation.
Nun hinterlassen Sie aber ein bestelltes Feld, sind sogar Investor bei Werder.
Es war immer mein Ziel, nicht zu gehen, wenn es schlecht läuft. Ich wusste für mich, dass ich wieder eine Auszeit nehmen wollte, und es war mein Ziel, Werder wirtschaftlich, sportlich und personell in einem guten Zustand an meinen Nachfolger zu übergeben. Wirtschaftlich ist es eine solide Situation, in der wir auch proaktiv auf dem Transfermarkt tätig werden können und bei der nächsten Krise nicht wieder um die Existenz zittern müssen. Wir sind als Verein sehr gesund aufgestellt.
Werden Sie Werder und Bremen verbunden bleiben?
Ich werde Werder in verschiedener Weise – als lebenslanges Mitglied und im regionalen Bündnis – verbunden bleiben und von außen verfolgen. Bremen wird immer ein ganz wichtiger Bezugspunkt sein, aber es kann sein, dass wir in der Zukunft etwas Anderes machen.
Es klingt, als hätten Sie sich beruflich noch auf keine Richtung festgelegt.
Ich möchte mich nur darauf festlegen, dass die Auszeit mindestens ein Jahr sein wird. Ich gehe sogar davon aus, dass es eher mindestens zwei Jahre sein werden. Alles andere möchte ich offenlassen, weil ich mich noch nicht damit beschäftigt habe. Ich möchte den Akku aufladen, natürlich auch reflektieren über die Jahre als Geschäftsführer und die Zeit nutzen, mich weiterzubilden, um zu schauen, ob noch eine spannende Aufgabe auf mich wartet.
Es muss also nicht nur im Fußball-Bereich sein?
Nein, ob im Fußball oder anderen Branchen. Ob in der ersten, zweiten, dritten oder vierten Reihe. Da möchte ich nichts ausschließen. Ich möchte mir alle Optionen offenhalten. Wichtig ist, dass ich mich wohlfühle mit den Menschen, die am Werk sind, um gemeinsam etwas aufzubauen. Das wird die Grundvoraussetzung sein, dass ich überhaupt nochmal etwas mache. Was, wann und wie möchte ich komplett offenlassen.
Am 23. August geht die neue Saison los. Sind Sie beim ersten Heimspiel im Stadion?
Nein. Zu der Zeit bin ich dann wieder im Urlaub, und ich werde sicher das erste halbe Jahr nicht im Weser-Stadion auftauchen. Ich möchte für mich ja einfach Abstand gewinnen. Und für Werder wäre es nicht gut, wenn ich dauernd auftauchen würde. Aber im Laufe der Saison werde ich sicher mal als Fan vorbeischauen.
Freut sich Ihre Familie eigentlich, dass Sie bald so oft zu Hause sind? Und gibt es schon Hobbys, die sich ausprobieren werden?
(lacht) Es ist nicht meine erste Auszeit, meine Familie kennt das schon und es hat beim letzten Mal gut funktioniert. Künstlerisch begabt bin ich nicht, diese Hobbys fallen also weg. Aber langweilig wird es nicht. Wir sind auch relativ tierlieb und die müssen beschäftigt werden. Ich freue mich, mal ein Buch in Ruhe zu lesen. Und Zeit für die Familie und andere Interessen zu haben.
Sind Sie ganz froh, dem Rummel des Profi-Fußballs etwas zu entfliehen?
Ich habe mich nie beschwert und möchte auch über Stress und Druck nicht jammern. Ich habe das mit Überzeugung und Liebe gemacht, es ist ein ganz toller Job in einem besonderen Verein. Und trotzdem ist es so, dass mit der Verantwortung, der medialen Präsenz und den Themen, die zu bewältigen sind, wenig Zeit bleibt, sich zu regenerieren und zu reflektieren. Wir sind einfach in einer sehr aufgeregten Branche unterwegs. Und es tut gut, mal aus der Fußball-Blase rauszugehen. Es gibt andere schöne Dinge zu erleben. Wenn man sich dieser Branche komplett ausliefert, geht irgendwann mal die Gesundheit und die Ehe kaputt oder die Qualität der Arbeit leidet. Das wollte ich alles vermeiden. Deshalb war es für mich immer wichtig, auch mal rauszugehen und von draußen das Ganze zu betrachten.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Sportblitz, 22. Mai 2024, 18:06 Uhr