Standdatum: 15. Mai 2018. Autorinnen und Autoren: Katrin Krämer

Warum der Kaufmann Ludwig Roselius den Kaffee neu erfand

Er war der "König Ludwig" von Bremen: Zu Reichtum gekommen ist er durch Kaffee – mit Geschmack, aber ohne Umdrehung. Vor 75 Jahren starb Ludwig Roselius.

Ludwig Roselius am Schreibtisch bei einer Kaffeeprobe, zirka 1928 — Ludwig Roselius setzte mit der Vermarktung seines Kaffees völlig neue Maßstäbe. Bild: Archiv Böttcherstraße Bremen

Dem Kaffee das Koffein zu entziehen, das war für Roselius eine Herzensangelegenheit, weil sein Vater, ein Kaffeeimporteur, schon mit 59 Jahren gestorben war. Ursache: zu viel Koffeingenuss. 1906 konnte Ludwig Roselius, der das Entkoffeinierungsverfahren selber ausgetüftelt hatte, die "Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft" gründen: Kaffee HAG war geboren.

Kaffee HAG — Der rote Rettungsring war das Markenzeichen für den koffeinfreien Kaffee-HAG. Bild: Radio Bremen | Heike Kirchner

Roselius, 1874 in Bremen geboren, war Hanseat durch und durch. Aber auch ein gewiefter Marketing-Experte. Tamtam zu machen für das eigene Produkt? Das galt bei der Kaufmannschaft als "unhanseatisch". Roselius interessierte das nicht die Bohne. Mit viel Werbung wurde sein Kaffee weltbekannt: zunächst mit einem roten Rettungsring in einem Rhombus mit der Inschrift "Kaffee HAG" und später mit einem großen, roten Herz.

Sein Herz schlug aber nicht nur für Kaffee ohne Wumms, sondern auch für die bildende Kunst. Er war ein Sammler und schuf als "Krönung" sein eigenes Kunstwerk: die Böttcherstraße. Ludwig Roselius ließ an den Häusern der verfallenen Altstadtgasse expressionistische Backstein-Fassaden gestalten, einen Glockenturm und ein Museum für die Malerin Paula Modersohn-Becker bauen. Der Bildhauer Bernhard Hoetger errichtete aus Glas, Stahl und Beton das "Haus Atlantis" und gestaltete 1936 zu Ehren von Adolf Hitler das Bronzerelief "Der Lichtbringer".

Ich möchte – und das ist der tiefere Sinn der Böttcherstraße – den Bann brechen, der einst durch Halbwissen der Römer über unser Volk ausgesprochen wurde und der heute noch auf uns lastet.
Ludwig Roselius, in einer Rundfunkaufnahme 1932

Auf Spurensuche von Ludwig Roselius

Haus der Sieben Faulen nach 1944, Kaffee-Schau der HAG In der Böttcherstraße konnte der koffeinfreie HAG-Kaffee probiert werden, so wie hier 1944 im Haus der Sieben Faulen. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

Werbeplakate für Kaffee HAG Ludwig Roselius investierte viel in eine wirkungsvolle Reklame. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

HAG-Haus, Innen, Propaganda-Raum Im sogenannten Propaganda-Raum sollten vor allem die Reisenden zwischen den Metropolen Berlin und New York die HAG-Produkte kennenlernen. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

Ludwig Roselius (rechts) und Bernhard Hoetger im Himmelssaal Zusammen mit dem Bildhauer Bernhard Hoetger machte Roselius aus der verwinkelten, alten Gasse nicht nur einen Showroom für seinen Kaffee, sondern ein Gesamtkunstwerk mit Museen und expressionistischer Kunst. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

Fassadenrelief "Lichtbringer" von Bernhard Hoetger am Eingang zur Böttcherstraße Sein Fassadenrelief "Lichtbringer" hängt am Eingang zur Böttcherstraße. Quelle: dpa, Toma Babovic

Büste von Ludwig Roselius Im Handwerkerhof hat der Künstler dem Mäzen eine Büste gewidmet. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Böttcherstraße heute: Backstein-Gasse mit Touristen Die Gasse mit den Backsteinhäusern ist immer noch eine beliebte Touristenattraktion. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Glasmosaik mit Schriftzug Kaffee HAG An Kaffee HAG erinnern die bunten Mosaikfenster. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Mosikfenster mit Kaffee-HAG-Elementen So wie hier am Haus St. Petrus, das von vornherein für eine gastronomische Nutzung vorgesehen war. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Kaffee-Laden in der Böttcherstraße Auch heute kann man noch Kaffee in der Böttcherstraße kaufen. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Kaffee-HAG-Fabrikgelände, Teilansicht, historischer Stich In der Überseestadt befand sich das Fabrikgelände mit moderner Fließbandarbeit. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

gelber Fabrikbau mit den goldenen Buchstaben HAG Seit Anfang der 90er Jahre hat Kraft Foods, heute Mondelez, das Gelände aufgegeben. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Eingang zum Mamorsaal in der Kaffee-HAG-Fabrik Den Marmorsaal kann man aber noch betreten. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Kaffee-HAG-Gelände Es steht zwar alles noch, ist aber sehr baufällig. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Mamorsaal im Kaffee-HAG-Fabrik In dem Saal ganz aus Marmor präsentierte Ludwig Roselius ausgewählten Gästen seinen Kaffee. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

Mamorsaal in der Kaffee-HAG-Fabrik Bis auf die Lampen ist hier vieles noch so wie vor 100 Jahren. In den Fenstern sind die Wappen der Bundesländer zu sehen. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Kaffee-HAG-Dose In den Vitrinen stehen Erinnerungen wie hier eine Packung von Kaffee HAG. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

gelbes Service mit der Aufschrift Kaba Auch "Kaba der Plantagentrank" darf nicht fehlen: Im Jahr 1929 brachte Roselius das erste aufgussfertige Kakaogetränk heraus. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Kaffee HAG Am Fabrikufer in der Cuxhavener Straße steht noch das alte Gebäude mit dem aus vier Palmen bestehenden Logo. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Luftbild vom Kaffee-HAG-Fabrikgelände Auf dem Luftbild aus den 60er Jahren sind alle Teile des HAG-Fabrikgeländes zu sehen. Quelle: Archiv Böttcherstraße Bremen

Kaffee HAG Bis auf die Container im Hafen hat sich dort nicht viel verändert. Quelle: Radio Bremen, Heike Kirchner

Die germanische Kunst stünde der anderer Völker in nichts nach, sondern sie sei selbst schöpferisch gewesen und habe in fremden Ländern wiederum Kunst angeregt, die die Nachwelt irrtümlicherweise als selbstständige Schöpfung der betreffenden Länder wertete. "Ex oriente lux" heißt es immer, aber "ex occidente lux" müsste es heißen, davon war Roselius überzeugt. Germanenkult und völkisches Denken: Roselius fühlte sich dem Nationalsozialismus verbunden, wurde aber nie Parteimitglied. Als Hitler befand, der Böttcherstraßen-Stil-Mischmasch wäre "anarchisch" und "undeutsch", war das für Roselius ein vernichtendes Urteil. Trotz seiner Überzeugungen pflegte er Umgang mit Kommunisten und Sozialdemokraten und verehrte die Werke von Paula Modersohn-Becker, die von den Nazis als "entartet" verfemt wurden.

Das Ende des Zweiten Weltkriegs erlebte er nicht mehr, ebenso wie die Zerstörung seiner Böttcherstraße durch britische Bomber. Am 15. Mai 1943 starb der Bremer Kaffee-König Ludwig Roselius in Berlin im Alter von 68 Jahren.