Darum stellt das Bremerhavener Klimahaus eine "Flutwohnung" aus
An der Hafenplaza zeigt eine Installation Möbelstücke aus Hochwassergebieten. Sie soll die kaum vorstellbare Zerstörung greifbar machen.
Wetterextreme werden häufiger. Die letzten Nachrichten aus Süddeutschland mit seinen Überflutungen zeigen dies deutlich. Jedes Jahr kommt es nun auch in unseren Breitengraden zu Klimakatastrophen.
Bis Ende August präsentiert jetzt das Klimahaus Bremerhaven in Kooperation mit Greenpeace die Installation "Flutwohnung". Diese verdeutlicht die zerstörerische Kraft von Hochwasserkatastrophen.
Drei Hochwasserregionen in vier Wänden
"Wenn ich das sehe, da geht direkt eine Erinnerung hoch. Man kann sich vorstellen, was da abgegangen ist. Ganze Häuser sind weggeschwommen, mein Elternhaus ist weg, viele Tote. Auch aus dem Bekanntenkreis, das geht schon auf die Haut, wenn man das wiedersieht", erzählt Winfried Jeandrée, der selbst vom Hochwasser betroffen war. Er steht in der Havenplaza vor dem Eingang zum Klimahaus Bremerhaven. Jeandrée kommt aus dem Ahrtal und schaut auf die hier neu ausgestellte Installation "Flutwohnung".
Auf einem circa sechs mal sechs Meter Quadratgrundriss vor dem Klimahaus Bremerhaven sind Ausschnitte von vier verschiedenen Wohnungen nachgebaut. Wohnungen mit Möbeln aus Hochwassergebieten. Aus dem Ahrtal, aus der italienischen Region Emilia Romagna und ganz aktuell aus Bayern. Vor allem aber sieht man: Schlamm. Überall. Auf dem Sofa. Auf dem Fernseher, selbst an den Wänden.
Ausstellungsstücke erzählen tragische Geschichten
"Das heißt, jedes dieser Möbelstücke ist noch komplett so verschlammt, wie es direkt nach der Flutkatastrophe war und hat aber natürlich auch eine individuelle Geschichte", erzählt Nina Noelle, Projektleiterin von Greenpeace Deutschland. "Die Betroffenen haben uns auch erzählt, welche Erinnerungen sie an diese Gegenstände haben, an diese Möbel, welche Erlebnisse sie damit verbinden und warum es so hart ist, sich auch von diesen Möbelstücken trennen zu müssen. Weil das alles Gegenstände waren, die nicht mehr zu retten waren."
Zusammen mit anderen war Noelle in Katastrophenregionen, um dort zu helfen. Mit Betroffenen kam sie auf die Idee der "Flutwohnung". Sie wollten das zerstörte Hab und Gut für eine Aktion nutzen, die das Ausmaß und die Dramatik von Starkwetterereignissen zeigt: "Im Wohnzimmer sehen wir eine Eck-Couch, die hatte der Besitzer – der heißt Palmiro – gerade erst mit Leder frisch bezogen und die ist jetzt in ihrer Gänze nicht mehr brauchbar. Komplett durchweicht, stand mehrere Tage unter Wasser. Der Schlamm ist bis ganz oben an die Rückenlehne noch deutlich zu sehen."
Kleine Tafeln an den Wänden erzählen die Geschichten der Menschen, denen die Möbel gehört haben. Da ist zum Beispiel der Witwer Ivo, der sich nicht zu seiner Tochter nach Imola bringen ließ, weil er sein Zuhause nicht verlassen wollte, und das Wasser Meter um Meter steigen sah.
Man kann um die Flutwohnung herumgehen und so in die vier Zimmer blicken. Mit jeder Sichtachse werden neue Dinge deutlich. An den Wänden der vier Zimmer ist noch zu sehen, wie hoch der Schlamm stand. Im Wohnzimmer bis kurz über das Klavier. Es riecht nicht mehr nach verschimmeltem Essen, aber alle Möbel sehen aus, als ob sie mehrere Hundert Jahre alt seien. Nicht antik, sondern verwahrlost.
Anstrengender Wiederaufbau
Die Menschen im Ahrtal kämpfen bis heute mit den Folgen und den Traumata der Flut, noch immer ist nicht alles wiederaufgebaut, sagt Jeandrée. Viele schämen sich, um Geld zu bitten oder haben nicht die psychische Kraft Erstattungsanträge zu schreiben. Einige seien komplett geflohen und noch immer nicht zurückgekehrt, erzählt er.
Im ersten Moment, als ich da reingegangen bin in das zerstörte Haus, man kann es gar nicht fassen. Man denkt einfach nur, ja, da muss aufgeräumt werden und fertig, aber was da alles hinterherkommt, ist unbeschreiblich.
Winfried Jeandrée, Hochwasserbetroffener aus dem Ahrtal
Auch Jeandrée selbst hatte einiges zu tun: "Ich habe mich mit Arbeit zugeschüttet von morgens bis abends. Also wirklich. Ich war morgens acht Uhr auf der Baustelle und abends um zehn Uhr im Sommer zurück. Dann nur noch essen, umfallen, nächster Tag von vorn."
Zweieinhalb Jahre hat Winfried Jeandrée gebraucht, sein Zuhause wiederaufzubauen. Jetzt hilft er anderen, die noch immer mit den Folgen der Flut von vor drei Jahren zu kämpfen haben.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Nachmittag, 14. Juni 2024, 15:13 Uhr