Wie ein Maschinenbauer aus Lilienthal sich aus der Krise kämpft

Firmengebäude und Gelände von bwm in Bremen.

Tabuthema Insolvenz? Wie ein Mittelständler die Krise angeht

Bild: Radio Bremen | Mario Neumann

BWM musste Insolvenz anmelden, statt 80 arbeiten im Unternehmen jetzt nur 25 Menschen. Tränen sind geflossen, Fehler wurden gemacht – doch der Kampf ums Überleben geht weiter.

Ein Blechkasten wird für den Einbau eines industriellen Röntgengeräts vorbereitet. "Was hier passiert, ist klassischer Sondermaschinenbau", sagt Franz-Josef Klegraf. Er ist Gründer, Investor und geschäftsführender Gesellschafter der Bremer Werk für Montagesysteme GmbH (BWM) in Lilienthal. 13 bis 18 Millionen Euro Jahresumsatz waren seit 1997 üblich.

Doch statt seinerzeit 80 arbeiten hier jetzt noch 25 Menschen. Anfang Oktober 2024 hat Klegraf Insolvenz angemeldet. Denn da war ihm klar, dass der Betrieb sonst im Februar pleite ist. Schon 2022 hat seine Familie mit einer Finanzspritze geholfen. Doch das hat nicht gereicht. Im Gegenteil, Klegraf hat viel Geld verloren.

Plötzlich keine Aufträge mehr

Die Krisenkette Corona, Teileverfügbarkeit, Energiepreisexplosion im Zuge des Ukraine-Konflikts, starke Inflation, gedämpfter Konsum sind aus Sicht des Firmeninhabers für die Insolvenz verantwortlich. Klegraf: "Das war einfach zu viel, sämtliche Branchen haben auf die Investitionsbremse getreten und keine neuen Produktions-Linien bestellt."

"Wir haben Kunden besucht, wir haben Kunden angerufen", beschreibt Franz-Josef Klegraf den Kampf ums Überleben des Unternehmens. Es war hart, sich dann einzugestehen, dass das alles nichts bringt, weil niemand bestellen wollte. Dann war es an der Zeit, sich mit diesen Rahmenbedingungen zu arrangieren.

Ich vermute, dass die Bestellflaute nicht nur ausgerechnet meinen Betrieb getroffen hat. Ich weiß, dass viele Mittelständler aus unterschiedlichsten Gründen große Schwierigkeiten haben und dass gerade bei den Familienunternehmen auch Geld eingelegt wurde und wird.

Porträt von  Franz-Josef Klegraf, geschäftsführender Gesellschafter von bwm in Bremen
Unternehmer Franz-Josef Klegraf

Hilfe Dank des Insolvenzrechts

Jede Entlassung ist belastend und bedauernswert, sagt Klegraf. Als es dazu kam, hatte dann aber schon der Insolvenzverwalter das Ruder übernommen. Klegraf beschreibt das Vorgehen der entsprechenden Kanzlei als sehr sachlich. Die Firma konnte weiterarbeiten. Hätte es Kaufinteressenten für den Betrieb samt Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegeben, hätte Klegraf nach einer Einarbeitungszeit den Hut genommen.

Doch es kam kein Käufer. Daher lief es auf ein kleines Nachfolgeunternehmen hinaus. Denn der Firmenname BWM hatte durch die frühzeitige Insolvenzanmeldung keinen Schaden genommen, erklärt Klegraf. So steht nun die "bwm solutions-GmbH" für Aufträge parat. Genau so viel kleiner, wie die jetzt noch bestehenden Wünsche und Anfragen von Kunden.

Neue Firma, alte Beschäftigte

Die Anfragen sind da, die stark geschrumpfte Belegschaft muss jetzt mehr leisten, sagt Industriekauffrau Lena Kranz. Dann nimmt das Geschäft wieder Fahrt auf. Kranz hat früher ihre Ausbildung bei BWM gemacht. Inzwischen ist sie 27 und erinnert sich gut an die vielen Tränen, die sie im vergangenen Herbst vergossen hat.

Porträt von  Lena Kranz, Industriekauffrau, in der Montagehalle von bwm.
Industriekauffrau Lena Kranz hatte Angst um ihren Arbeitsplatz. Bild: Radio Bremen | Mario Neumann

"Ja, ich bin ein sehr emotionaler Mensch. Ich hatte halt Angst, meinen Arbeitsplatz zu verlieren." Ihr Tipp für alle, deren Betrieb in die Insolvenz geht: Durchhalten, Ruhe bewahren und immer einen Plan B in der Tasche haben. Tipps zum Thema Insolvenz kann auch Businesscoach Ina Hacheney geben: "Es ist wichtig, auf sich selbst zu achten. Denn so eine Insolvenz ist anstrengend."

Wer schlau ist, hat alle Unterlagen sauber geordnet, sagt Hacheney, arbeitet gut mit dem Insolvenzverwalter zusammen und holt sich im Zweifel psychologische Hilfe, um die Krise zu meistern. Sie muss es wissen, ist sie 2012 doch mit einem Bremer Kosmetik Groß- und Einzelhandel selbst in die Insolvenz geschliddert und nach Cuxhaven umgezogen.

Scheitern erlaubt

Natürlich ist es hart, wenn das eigene Unternehmen soweit kippt, dass es abgewickelt werden muss. Und bestimmt sind unternehmerische Fehler passiert, räumt Franz-Josef Klegraf ein. Doch sich deswegen zu grämen, hat keinen Wert, ist er sich sicher. "Das hält nur auf. Man muss die Fehler erkennen und dann versuchen, Abstellmaßnahmen dafür zu finden, um sie nicht wieder zu machen. Und das habe ich für mich auch schon nachvollzogen."

Auch wenn ihre Insolvenz in dem Augenblick eine Katastrophe war, sagt Ina Hacheney, im Rückblick ist das Leben doch so viel mehr als unternehmerische Tätigkeit. Aus ihrer Sicht ist es keine Schande zu scheitern, auch wenn eine akzeptierende Fehlerkultur in Deutschland noch ganz am Anfang stehe.

Klegraf sieht es ähnlich pragmatisch. Er hatte keine Macht, den Markt zu ändern oder zu beeinflussen. Er spricht über seine Insolvenz , um dem Thema die Horrormaske runterzureißen. Auch wenn eine gewisse Enttäuschung dazu gehört, muss man Rahmenbedingungen akzeptieren und damit umgehen. Sachlich und professionell.

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Autor

  • Zu sehen ist ein Porträtfoto von Mario Neumann. Blaue Augen, relativ kurze, dunkelblonde Haare. Er hat die Arme verschränkt und lächelt.
    Mario Neumann Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, 14. März 2025, 07:36 Uhr