Ehemaliger Radio-Bremen-Intendant verschwieg NS-Verstrickungen
Hans Abich war ein Filmproduzent der Nachkriegszeit und Programmdirektor der ARD. Ein Gutachten zeigt jetzt: Seine Tätigkeit für die NS-Propaganda hat er verschwiegen.
Wem der Name Hans Abich nichts sagt, der hat zumindest schon mal von seiner Arbeit gehört. Abich gründete kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Produktionsfirma "Filmaufbau Göttingen". Er verfilmte deutsche Literaturklassiker wie Thomas Manns "Buddenbrooks" oder die "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull". Abich gilt als einer der einflussreichsten und umtriebigsten Filmproduzenten der Nachkriegsjahre.
Auch als er 1960 zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk wechselte, stieg er schnell auf. Abich arbeitete zunächst als Berater für Radio Bremen, wurde dort später Intendant und schließlich Programmdirektor der ARD. Er gilt als Erfinder der Tagesthemen.
Abich gab in Interviews Reue vor
Wenn er in Interviews auf die Nazi-Herrschaft angesprochen wurde, gab er sich oft geknickt. In einem Interview mit dem ZDF im Jahr 1990 – darin wurde die Ermordung der SA-Führung und ihres Stabchefs Ernst Röhm durch die Nazis thematisiert – sprach er über seine Reue, "dass ich 1934 den sogenannten Röhmputsch und Hitlers Gerichtsbarkeit nicht erkannt und übel genommen habe, sondern das habe ich noch – stellen Sie sich das vor – habe Hitler noch gutgeschrieben, dass er die Verantwortung übernommen hat".
Als Elfjähriger war Abich an Kinderlähmung erkrankt, weshalb er als Soldat nicht infrage kam. Er studierte Jura und Auslandswissenschaften in Berlin. Dort erlebte er 1938, wie organisierte Schlägertrupps in der Reichspogromnacht jüdische Geschäfte und Synagogen niederbrannten und viele jüdische Menschen getötet wurden.
Danach habe er Argwohn gegen die Nazis entwickelt. So schilderte es der 2003 verstorbene Abich jedenfalls selbst.
NSDAP-Beitritt und Propaganda-Arbeit verschwiegen
Doch daran sind Zweifel begründet. Zum einen hat er verschwiegen, dass er 1937 in die NSDAP eingetreten war. Ein neues Gutachten kommt zu dem Schluss, dass er darüber hinaus für das Reichsministerium für Propaganda arbeitete. Darüber hatte Abich ebenfalls geschwiegen. Und auch über seine Tätigkeit für die Zeitschriften "Sieg der Idee" und "Geist der Zeit" hat er nie öffentlich gesprochen.
Beides seien keine Hetzschriften gewesen, aber im Gutachten heißt es: "Die beiden Zeitschriften sind durchaus stark in der Ideologie des Nationalsozialismus verhaftet."
In einem Text von 1940 schreibt Abich, "dass eines Tages auch der letzte Student von der Kraft der Verantwortung für die nationalsozialistische Hochschule erfasst, belebt und ausgerichtet sein wird".
Gutachten im Auftrag der ARD
Der Journalismusforscher Thomas Birkner hat das Gutachten im Auftrag der Historischen Kommission der ARD verfasst. Anlass war ein Artikel in der Wochenzeitung "Die Zeit", in dem im Oktober 2021 erstmals Zweifel an Abichs eigener Schilderung geäußert wurden.
Auf die Frage, ob Abichs Wirken neu bewertet werden müsse, antwortet Birkner: "Man darf nicht vergessen, dass Hans Abich nach 1945 sehr produktiv am Aufbau von freien Medien mitgewirkt hat. Aber sein Wirken vor 1945 wirft natürlich einen Schatten auf dieses Wirken."
Ähnlich ordnet auch ARD-Intendant Kai Gniffke die Ergebnisse des Gutachtens ein: "Hans Abich hatte natürlich seine Verdienste als Filmproduzent, als Intendant, als Programmdirektor. Aber wir wissen jetzt mehr. Wir wissen etwas über seine Verstrickung im Nationalsozialismus und dass er nicht aufrichtig damit umgegangen ist."
Das ergänzt das Bild. Wenn es das Bild nicht sogar korrigiert.
ARD-Intendant Kai Gniffke
Es sei wichtig, dass die ARD die mögliche NS-Vergangenheit ihres Personals aufarbeite, sagt Gniffke: "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gegründet worden als Reaktion auf den Nationalsozialismus. Deswegen soll es ja unabhängigen Journalismus geben. Und insofern haben wir eine besondere Verantwortung, auch bei uns selber sehr kritisch hinzugucken."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 29. April 2023, 19:30 Uhr