Wie es Bremer Hochwasseropfern ein Jahr nach der Katastrophe geht
Das Weihnachtshochwasser von 2024 hat viele Menschen in Bremen und umzu tief getroffen. "Nicht noch einmal" wollen sie so etwas erleben, sagen sie – und blicken zurück.
Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass das Hochwasser die Region in Atem hielt: In Borgfeld, Lilienthal, Verden und anderen niedersächsischen Gemeinden waren die Feiertage nicht wirklich feierlich, sondern vor allem anstrengend und auch angsteinflößend. Rund um die Uhr wurde Wasser gepumpt, es wurden Löcher im Deich gestopft, Sandsäcke verteilt und ständig Wasserstände kontrolliert. buten un binnen hat bei Betroffenen von damals nachgefragt, wie es ihnen heute geht.
"Wie weit geht das noch?"
Friedrich Geerken und seine Frau Marliese erinnern sich noch gut an Weihnachten 2023: Am Morgen des 25. Dezember war aus ihrem Garten plötzlich ein See geworden. Und im Keller kam das Wasser durch die Wand. "Das ging höher und höher und man wusste nicht, wann hört das auf? Wie weit geht das noch?", beschreibt Friedrich Geerken.
Der Erbrichterweg in Bremen-Borgfeld, in dem die beiden wohnen, stand komplett unter Wasser. Die Bewohner bewegten sich auf Kanus durch die Straße. Auch der Verteilerkasten stand im Nassen, so dass kurzerhand der Strom abgestellt und die Häuser evakuiert werden mussten.
Es war saukalt und dunkel. Also es war unangenehm, es war nicht schön!
Friedrich Geerken
Die Rettung der Bilder
Trotzdem wollte Friedrich Geerken sein Haus partout nicht verlassen, denn im Keller waren noch Wertsachen: Bilder seines Vaters – des Malers Fritz Geerken – wichtige Papiere und Werkzeuge, erinnert sich seine Frau Marliese: "Das war für mich das Schlimmste. Die Enkelin sagte, ich verstehe das nicht, warum Oma und Opa nicht zu uns kommen wollen, aber mein Mann sagte zu mir: Du kannst ja hingehen, ich bleibe hier."
Beide blieben. Und bekamen Hilfe. Mit Verwandten, Freunden und Nachbarn installierten sie einen Notstromgenerator und eine Pumpe. Alle zwei Stunden musste der Generator mit Benzin gefüllt werden, um die Pumpe am Laufen zu halten. Ein Kraftakt – aber so konnte die Familie zumindest ihre Heizung retten.
Keine Heizung, kein warmes Wasser
Ganz ähnlich erging es Familie Stelljes auf der anderen Seite der Wümme – einen guten Kilometer flussabwärts. Auch ihr Grundstück soff während des Hochwassers immer mehr ab. In ihrem Haus am Truperdeich gab es zwar noch Strom, aber keine Heizung und kein Warmwasser mehr, erinnert sich Simone Stelljes: "Dann haben wir uns in Zweierteams gemacht und haben da immer rausgepumpt – alle halbe Stunde."
Ihre Tochter Melanie sagt: "Ich hab wenig geschlafen, ich hab manchmal nur eine halbe Stunde oder eine Stunde geschlafen, aber ich war so hellwach – durch den Stress." Und ständig war da die Panik, dass der Deich brechen könnte. Auch jetzt spürt Melanie die Folgen und die Sorge davor, dass so etwas noch einmal passieren könnte: "Ich denke jetzt halt genau an die Zeit und wenn die jetzt sagen, dass das Wasser steigt, werde ich ein bisschen unruhig, weil ich gucke: Kommt das wieder?"
Trotzdem wollen sich Simone und Melanie Stelljes das Weihnachtsfest nicht verderben lassen und hoffen, dass sie diesmal mit Heizung und ohne Pumpe feiern können. So entspannt wünschen es sich auch Marliese und Friedrich Geerken – auch wenn ihre Weihnachtskugeln das Hochwasser nicht überlebt haben. Dazu sagt Marliese Gerken: "Das merkt man dann erst, wenn man irgendwas holen will. Ach, hab ich ja gar nicht mehr. Jetzt kann ich darüber lachen: alles weg!" Und Angst vor einem erneuten Hochwasser hat sie nicht.
Ich sage nur immer: Möchte ich nicht nochmal erleben sowas. Aber Angst hab ich da nicht vor jetzt.
Marliese Geerken
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 23, Dezember 2024, 7 Uhr