Hintergrund

Nach Abschiebeversuch aus Bremer Gemeinde: Was ist Kirchenasyl?

Bremer Kirchengemeinde verhindert Abschiebung aus Kirchenzentrum

Bild: Imago | Christian Mang (Symbolbild)

Rund 100 Menschen haben in der Nacht zu Dienstag die Abschiebung eines 25-jährigen Somaliers aus der Bremer Zionskirche verhindert. Wir erklären, worauf sie sich berufen.

Was bedeutet eigentlich Kirchenasyl?

Laut der Vereinigung der Evangelischen Gemeinden Bremen-Neustadt ist Kirchenasyl das letzte Mittel einer Gemeinde, Geflüchteten zeitlich begrenzten Schutz zu gewähren – wenn eine Abschiebung für sie mit Gefahren verbunden ist. Ziel sei es, ihre Situation sorgfältig überprüfen zu können, um unrechtmäßige Abschiebungen zu verhindern.

Wie der niedersächsische Flüchtlingsrat mitteilt, wird Kirchenasyl oft in sogenannten Dublin-Fällen gewährt. Nach dem Dublin-Verfahren der Europäischen Union ist das Land für das Asylverfahren zuständig, in dem ein Asylsuchender erstmals die EU-Grenzen überschreitet. Im aktuellen Fall sollte der Somalier ins EU-Land Finnland abgeschoben werden, weil er dort zuerst war.

1983 kam es zum ersten Kirchenasyl in Deutschland, als ein Berliner Pfarrer eine palästinensische Familie aufnahm, die vor dem libanesischen Bürgerkrieg geflüchtet war. Anlass war der Suizid eines türkischen Asylbewerbers kurz zuvor. In Bremen gab es 1985 den ersten Fall. 2022 zählte die Ökomenische Bundesarbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" bundesweit 1.119 Fälle, davon 27 in Bremen.

Was sagen Befürworter und Kritiker?

Die Kirchen berufen sich auf eine lange Schutztradition sowie das grundgesetzlich verankerte Recht auf Schutz von Menschenwürde, Freiheit und körperlicher Unversehrtheit. "Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren, treten für Menschen ein, denen durch eine Abschiebung Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen, oder für die mit einer Abschiebung nicht hinnehmbare Härten verbunden sind", heißt es von der Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche".

Die Fraktionsvorsitzende der Bremer Grünen Henrike Müller verteidigte im aktuellen Fall das Kirchenasyl und forderte die Behörden auf, es zu respektieren.

"Das Kirchenasyl wird missbraucht, um geltendes Recht auszuhebeln", kritisierte Jan Timke, Vorsitzender der Bremer Bürgerschaftsfraktion von Bündnis Deutschland. Der Senat solle gegen solche Fälle konsequent vorgehen.

2015 betonte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), keine Institution stehe über dem deutschen Recht – auch nicht die Kirchen. Die AfD bezeichnet Kirchenasyl generell als rechtswidrig und fordert die Abschaffung.

Welche rechtliche Grundlage hat Kirchenasyl?

Eine gesetzliche Grundlage gibt es nicht. Der Staat toleriert das Kirchenasyl in vielen Fällen, kann aber von seinem Zugriffsrecht Gebrauch machen, um Betroffene abzuschieben. Die Evangelischen Gemeinden der Bremer Neustadt betonen, dass sie mit dem Kirchenasyl keinen rechtsfreien Raum beanspruchen würden. In allen Fällen seien die zuständigen Behörden über den Aufenthalt im Kirchenasyl informiert.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 3. Dezember 2024, 10 Uhr