Wieso die Lila Eule und andere Bremer Clubs ums Überleben kämpfen

Der Lila Eule geht es schlecht. Wie vielen Clubs, machen dem Tanzlokal hohe Kosten zu schaffen. Auch hätten die Leute Angst, ins Bremer Viertel zu gehen, sagt der Betreiber.
An Ruhm und Ehr mangelt es der Lila Eule nicht. Erst im November, kurz vor dem 65. Geburtstag des Tanzlokals, verlieh Kulturstaatsministerin Claudia Roth dem Bremer Club den Kulturpreis "Applaus-Award" – in der Kategorie "Beste kleine Spielstätten und Konzertreihen". Kurz darauf, im März, ist Cordt Schnibbens Roman "Lila Eule" erschienen. Zumindest der Titel des autobiografischen Roman ist als Hommage an das Tanzlokal zu verstehen. Der Autor sah in der Lila Eule der sechziger und siebziger Jahre Bremens "Zentrum für alle Menschen unter 25", einen kulturell wie politisch prägenden Ort.
"Man liest die Atmosphäre der Lila Eule aus dem Roman heraus", sagt Michael Pietsch, der heutige Inhaber des Clubs, über das Buch. Vieles von dem, was Cordt Schnibben als junger Mann an der Lila Eule bewunderte, habe sich dort bis heute erhalten. Noch immer etwa verstehe sich das Tanzlokal nicht als Szene-Club, sondern als "Club für alle Bremerinnen und Bremer". Wie eh und je seien dort diverse musikalische Stile und Einflüsse zuhause. Eines aber hat sich in der Lila Eule, in der sogar Rudi Dutschke eine Rede hielt, geändert: Das Tanzlokal im Bremer Ostertor-Viertel kämpfe heute trotz seines ungebrochen hohen Ansehens ums Überleben, räumt Pietsch ein.
Probleme der Lila Eule Folge einer Krise des Viertels?

Die Gründe dafür sind vielfältig. So leide der Club unter den gestiegenen Kosten für Personal und Energie. Auch die Hotelkosten für gastierende Musiker seien gestiegen, die Gagen ebenso, sagt Pietsch: "Das trifft kleine Clubs wie uns mit unseren maximal rund 200 Plätzen besonders hart."
Noch schwerer zu schaffen aber mache der Lila Eule, dass nicht mehr so viele Gäste kämen wie noch vor wenigen Jahren. Dabei sei die Stimmung in der Eule heute genauso fantastisch wie früher. Doch viele potentielle Gäste trauten sich inzwischen kaum noch ins Viertel.
Sie haben Angst.
Michael Pietsch, Inhaber Lila Eule
Das Nachtleben im Ostertor und im benachbarten Steintor, kurz: im Viertel, habe sich zu seinem Nachteil verändert. Junge Menschen, zumal Studis, fänden dort kaum noch bezahlbare Wohnungen, würden auf diese Weise in andere Wohngegenden verdrängt. Gleichzeitig habe der Alkohol- und Drogenkonsum auf den Straßen deutlich zugenommen, wie generell die Kriminalität.
"Sauftourismus"
"Corona hat diese Entwicklung forciert", so Pietsch. Auch, weil die Clubs in der Pandemie immer wieder hätten schließen müssen, habe es sich unter jungen Menschen eingebürgert, sich im Freien, auf der Straße zu treffen und dort Alkohol zu trinken – ohne dabei der Musik einer Band zu lauschen oder gar dazu zu tanzen: ein Trend, der sich nach der Pandemie fortgesetzt habe. Pietsch spricht in diesem Zusammenhang von "Sauftourismus" im Viertel.
"Lernbedarf in Sachen Musik"
Iris Hinze und Filip Roolfing vom Verband der Bremer Musikstätten "Clubverstärker" stimmen ihm insofern zu, als auch sie feststellen, dass sich das Ausgehverhalten in der Corona-Zeit verändert habe:
Viele junge Menschen haben durch Nicht-Erfahrungen in der Pandemie Lernbedarf in Sachen Musik.
Iris Hinze, Verband "Clubverstärker"
Die Clubs stünden vor der großen Herausforderung, auch solche junge Leute für ihr Angebot zu begeistern, die bislang gar nicht mit Live-Musik in Berührung gekommen seien. "Diese jungen Menschen wissen teilweise einfach nicht, dass Live-Musik im Club viel geiler ist, als am Osterdeich rumzuhängen", sagt Hinze.
Lila Eule in traurigem Trend

Zusammen mit anderen Landesverbänden der Musikspielstätten hat der "Clubverstärker" gerade die Lage unter bundesweit 245 Kulturstätten abgefragt. Das Ergebnis: Es geht vielen Clubs schlecht – in Bremen wie andernorts. Es kommen weniger Gäste als noch vor ein paar Jahren, die Umsätze gehen zurück, gleichzeitig steigen die Kosten. Mehr als zwei Drittel der Clubs gaben in der Befragung an, dass sie innerhalb der kommenden zwölf Monate öffentliche Fördermittel bräuchten, um ihren Betrieb in gewohnter Weise aufrechterhalten zu können.
Der "Clubverstärker" fordert deshalb, dass die Bremer Landesregierung, die Clubs und Festivals im kommenden Haushalt "wieder stärker berücksichtigen" müsse. "Kulturschaffende sollten sich endlich wieder auf den Kern ihrer Arbeit, auf ein diverses, spannendes Booking konzentrieren können, anstatt permanent durch Existenzängste gelähmt zu werden."
Clubs fordern Konzepte für das Viertel

Mit Förderprogrammen für Clubs allein ist es unter Umständen jedoch nicht getan, sagen Lila Eule-Inhaber Michael Pietsch sowie Iris Hinze und Filip Roolfing vom "Clubverstärker" übereinstimmend. Zumindest nicht mit Blick auf die Verhältnisse im Viertel. Sie fordern umfassende Maßnahmen dafür, dass sich das Publikum dort sicherer und wohler fühlen kann als zuletzt. "Immer mehr Polizei – das ist der falsche Weg", sagt Pietsch. Und auch Roolfing betont, dass Polizeipräsenz das Sicherheitsgefühl der Menschen nicht immer stärke.
"Wir brauchen ein umfassendes Schutzkonzept", sagt Hinze. Dazu gehöre neben einem Beleuchtungskonzept etwa auch ein Awareness-Konzept, also feste Ansprechpartner und Anlaufstellen für Menschen, die sich akut bedroht oder unwohl fühlen.
Tatsächlich hatte es ein derartiges Konzept bis Silvester gegeben. Teams der Sicherheitsfirma L'Unita Security zogen auf Streife durchs Viertel, standen als Ansprechpartner bereit – finanziert aus Bundesmitteln. Doch das Projekt ist ausgelaufen. Wie Christoph Sonnenberg aus dem Bremer Wirtschaftsressort mitteilt, müht sich Bremen derzeit allerdings um Ersatz. Aktuell laufe eine Ausschreibung, die Frist ende am 27. April. Sollten "geeignete Angebote" eingehen, könne Bremen bis zum 12. Mai den Zuschlag für das neue Awarness-Team im Viertel geben. Am 30. Mai solle es losgehen.
Von Personal bis Awareness-Team: So sicher ist das Bremer Nachtleben
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. April 2025, 19.30 Uhr