Fragen & Antworten
Richter tritt nach Urteil zu Bremer Ausbildungsfonds zurück
Dieter Riemer, Richter des Staatsgerichtshofes, war gegen den Fonds, wurde aber überstimmt. Jetzt gibt er nicht nur sein Amt auf, sondern will auch gegen das Urteil klagen.
Eine Woche vor Weihnachten fiel das Urteil des Bremer Staatsgerichtshofs: Der umstrittene Ausbildungsfonds kann im Land Bremen wie geplant umgesetzt werden. Das Gesetz sei mit der Landesverfassung vereinbar, sagte Peter Sperlich, Präsident des Staatsgerichtshofs. Fünf Kammern hatten gegen die Abgabe geklagt, darunter Handels- und Handwerkskammer.
Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs fiel knapp aus: Vier Richter stimmten dafür, drei dagegen, einer von ihnen war Dieter Riemer. Der Jurist aus Bremerhaven will das Urteil nicht einfach so hinnehmen.
Was war nochmal der Ausbildungsfonds?
Um etwas gegen die unbesetzten Lehrstellen in Bremen und Bremerhaven zu tun, hat der Senat beschlossen, einen Ausbildungsfonds einzurichten. Bremer Unternehmen sollen in den Fonds einzahlen. So sollen pro Jahr rund 39 Millionen Euro zusammenkommen.
Nur wer ausbildet, bekommt aus dem Topf eine Prämie ausgezahlt. Wer einen oder mehrere Auszubildende beschäftigt, kann bis zu 2.500 Euro pro Auszubildendem und Jahr bekommen. Außerdem soll es durch den Fonds weitere unterstützende Maßnahmen für Auszubildende und Unternehmen geben.
Was kritisiert der Bremerhavener Jurist?
Riemer hält die Entscheidung des Staatsgerichtshofs zur Ausbildungsplatzabgabe für falsch, weil nach seiner Überzeugung das zugrunde liegende Gesetz unwirksam ist. Das macht er an zwei Punkten fest:
Zum einen ist laut Riemer nicht genau geregelt, wer eigentlich zahlen muss. Der Unternehmensbegriff im Gesetz sei ein Problem. "Ganz viele Unternehmen fallen da durchs Raster", sagt Riemer. Was ist zum Beispiel mit Vereinen mit mindestens einem Beschäftigten? Oder mit niedersächsischen Einrichtungen im Land Bremen, wie etwa dem Finanzamt Wesermünde oder auch dem Kreisgymnasium Wesermünde, deren Träger der Landkreis Cuxhaven ist? Die habe man vergessen. "Der Wille des Gesetzgebers" sei "nicht eindeutig zu ermitteln", heißt es in der Begründung zum abweichenden Votum, die Riemer zusammen mit Vizepräsidentin Sabine Schlacke und Richter Stephan Haberland verfasst hat.
Zudem sieht er den Grundsatz der gleichen Belastung verletzt. Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts müssten die Abgabe nicht zahlen. Darunter fielen unter anderem Kirchen und Behörden. Damit müssten allein Wirtschaftsunternehmen mit mindestens einem Beschäftigten die Abgabe zahlen. Für die Ausnahmen gibt es nach Überzeugung des Bremerhavener Juristen keinen sachlichen Grund.
Ganz viele Unternehmen fallen da durchs Raster.
Dieter Riemer, Jurist
Wie geht es jetzt weiter?
Riemer strebt ein Normenkontrollverfahren an: Er will erreichen, dass das Bremer Oberverwaltungsgericht beim Bundesverfassungsgericht beantragt, zu prüfen, ob das Landesgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Wenn das der Fall sein sollte, will er auch noch die Bestimmungen zur Umsetzung des Gesetzes überprüfen lassen.
Laut Bremer Handelskammer wollen zudem mehrere Unternehmen gegen das Urteil klagen. "Juristisch sehen wir nach wie vor Probleme bei der Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes. Vor allem halten wir es aber inhaltlich für unverändert falsch", sagt Präses Eduard Dubbers-Albrecht.
Welche Folgen hat der Rücktritt für Riemer selbst?
Der Rechtsanwalt und Notar aus Bremerhaven gibt sein Amt als Richter des Staatsgerichtshofs auf. Dabei handelt es sich um ein Ehrenamt. Für dieses Ehrenamt hat er eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 370,69 Euro pro Monat bekommen.
Gibt es schon Reaktionen auf den Rücktritt?
Vom Staatsgerichtshof gab es zu dem Rücktrittsgesuch noch keine Stellungnahme. Die Bürgerschaft äußert sich nicht inhaltlich. Ein Nachfolger werde verfahrensgemäß gewählt. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Marcel Schröder (FDP), sagte, der Rücktritt lasse Zweifel an der Stabilität des Gerichts aufkommen. Man begrüße aber die Überprüfung der offenen rechtlichen Fragen. Die FDP war genau wie die CDU strikt gegen die Ausbildungsplatzabgabe. Die SPD, die den Fonds befürwortet, bedauert Riemers Schritt, sieht darin aber einen Beleg für die Unabhängigkeit des Staatsgerichtshofs.
Handelskammer-Präses Dubbers-Albrecht freut sich über Riemers Einschätzung: "Das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang, der uns darin bestärkt, dass wir nicht falsch mit unserer Einschätzung zum Gesetz für den Ausbildungsunterstützungsfonds liegen." Die Handelskammer hatte sich an der Klage gegen den Fonds beteiligt.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Nachrichten, 2. Januar 2025, 15.10 Uhr