Interview
Bremer Journalist zieht nach Abhöraktion vor Bundesverfassungsgericht
Ein Telefonat des Reporters Steffen Hudemann wurde abgehört, als er für buten un binnen recherchierte. Der Journalist will nun Klarheit: Welchen Wert hat Pressefreiheit?
Steffen Hudemann arbeitet für Radio Bremen. Der 44-Jährige berichtet immer wieder über Themen, die auch Gerichte beschäftigen. Jetzt sieht er sich gezwungen, selbst vor Gericht zu ziehen. Als Beschwerdeführer hat er eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingereicht.
Deren Hintergrund reicht in den Februar 2023 zurück. Damals recherchiert Hudemann für buten un binnen zu den Klima-Aktivisten der "Letzten Generation". Die Gruppe war wegen ihrer Straßenblockaden und Farbanschläge in den Fokus der Münchener Staatsanwaltschaft geraten. Im Frühjahr 2024 kam heraus, dass die Münchener Generalstaatsanwaltschaft im Zuge ihrer Ermittlungen auch Journalisten telefonisch abgehört hatte – einer von ihnen: Steffen Hudemann.
Dagegen hat der Reporter geklagt. Zuerst beim zuständigen Amtsgericht in München, dann beim Landgericht München. Jetzt liegt der Fall beim Bundesverfassungsgericht. Im Gespräch erklärt uns unser Kollege die Hintergründe.
Als dir die Münchner Generalstaatsanwaltschaft kurz vor Ostern 2024 per Post mitgeteilt hat, dass du abgehört worden bist, was ging da in dir vor?
Erstmal war ich erstaunt, Post von der Generalstaatsanwaltschaft in München zu bekommen. Ich habe gedacht, was wollen die denn von mir? Dann habe ich mich aber daran erinnert, dass es über dieses Thema schon Berichterstattung gab – und hatte so eine Vermutung. Als ich dann den Brief las, dachte ich nur: Ach Wahnsinn, da haben die dich auch abgehört!
Worüber hattest du dich mit der "Letzten Generation" ausgetauscht?
Ich weiß nur noch, dass es um eine Berichterstattung ging und ich versucht habe, die aus Bremen stammende Carla Hinrichs als Sprecherin der Gruppe zu erreichen. Was genau Inhalt dieses Telefonats war, weiß ich nicht mehr. Auch weil uns die Münchner Justiz, trotz mehrfacher Nachfrage, keine Akteneinsicht gegeben hat.
Auch vor Gericht nicht?
Nein. Meine Anwältin und ich haben alles versucht, um den Inhalt des Gesprächs über eine Akteneinsicht herauszubekommen. Diese ist uns aber nur sehr unzureichend gewährt worden. Deshalb wehren wir uns in der jetzt eingereichten Verfassungsbeschwerde auch zusätzlich gegen die unzureichende Akteneinsicht.
Warum ist dir dieses Verfahren so wichtig, dass du dafür nach Karlsruhe gegangen bist?
Es geht mir nicht so sehr darum, was es für ein unschönes Gefühl ist, wenn meine Gespräche abgehört werden. Es geht darum, was dahintersteht: die Pressefreiheit.
Die Ermittlungsbehörden haben hier bewusst monatelang ein als Presseanschluss gekennzeichnetes Telefon überwacht. Das ist für mich ein erheblicher Eingriff in die Pressefreiheit. Denn wir Journalisten müssen uns ja darauf verlassen können, dass Gespräche in einem geschützten Raum stattfinden. Wir müssen Hintergrundgespräche führen und Informationen sammeln können, ohne dass da die Ermittlungsbehörden mithören. Denn sonst ist der Quellenschutz und das Recht auf Vertraulichkeit nicht mehr gewährleistet.
In unserer Verfassungsbeschwerde sprechen wir von so genannten "chilling effects". Das heißt, wenn Einzug hält, dass Behörden, Staatsanwaltschaft und Polizei mithören, während sich Journalisten mit Gesprächspartnern austauschen, dann redet irgendwann niemand mehr mit uns – aus Angst, dass das später irgendwo in einer Ermittlungsakte auftaucht.
"Uns", das sind in diesem konkreten Fall 171 abgehörte Journalistinnen und Journalisten. Hast du dich auch mit denen mal ausgetauscht?
Auch andere Journalisten haben eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Das verfolge ich natürlich schon. Mir geht es aber vor allem darum, dass festgestellt wird, dass es so nicht geht. Ich will das auch für mich geklärt haben, weil dieser Fall nun mal mein eigener Fall ist, der seine eigenen Besonderheiten hat.
Was erhoffst du dir vom nun ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts?
Die bisherigen Beschlüsse haben meinen Eindruck verstärkt, dass die bayerische Justiz den Ermittlungserfolg der Polizei über alles stellt – auch über die Pressefreiheit. Das hat mich schon empört. Ich hoffe daher, dass die Pressefreiheit als Wert an sich vom Bundesverfassungsgericht hervorgehoben wird. Das Gericht hat ja schon in früheren Entscheidungen unterstrichen, wie wichtig Pressefreiheit und Rundfunkfreiheit für eine funktionierende Demokratie sind.
Ein zweiter Punkt ist für mich die Abwägung und Beurteilung, wann das Abhören von Telefonen überhaupt angemessen ist. Es ist ja bis heute nicht geklärt, ob die "Letzte Generation" überhaupt eine kriminelle Vereinigung ist. Und das wäre ja eine Voraussetzung dafür, dass überhaupt eine Telefonüberwachung gemacht werden darf. Wir reden hier nicht von einer Gruppierung, die terroristische Anschläge plant oder in den weltweiten Drogenhandel verstrickt ist.
Man muss sich schon fragen: Worüber reden wir hier überhaupt? Ich finde es problematisch, dass die Pressefreiheit hier zurücktreten soll, um Erkenntnisse zu erlangen über Menschen, die mutmaßliche Nötigungen begehen, indem sie sich auf die Straße setzen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen.
Hast du die Art, wie du recherchierst und mit wem du was am Telefon besprichst eigentlich seit der Bespitzelung geändert?
Nein. Ich kann mich ja nicht dadurch einschüchtern lassen, dass es jetzt diesen einen Vorfall gab. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass sich die Ermittlungsbehörden an Recht und Gesetz halten. Und ich gehe nach wie vor davon aus, dass bei meinen Recherchen und Gesprächen keine Polizei und keine Staatsanwaltschaft mithört. Damit das aber auch in Zukunft so bleibt, ist diese Verfassungsbeschwerde so wichtig.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Januar 2025, 19:30 Uhr