Interview

Führt die Cannabis-Legalisierung zu mehr Psychose-Fällen in Bremen?

Bundesweit erster Cannabis-Social-Club in Ganderkesee

Bild: Imago | Bihlmayerfotografie

Seit einem halben Jahr ist in Deutschland der Konsum von Cannabis erlaubt. Uwe Gonther, Leiter der Ameos-Psychiatrien, über mögliche gesundheitliche Folgen der Legalisierung.

Herr Gonther, die Cannabis-Legalisierung war von Anfang an umstritten. Zahlreiche Ärzte warnten etwa vor einer Zunahme von Psychosen und verwiesen auf diverse Studien. Wie ist die Situation in Ihren Einrichtungen?

Die Situation hat sich bislang noch nicht geändert. Doch dass es dieses neue Gesetz gibt und ruckzuck stehen lauter Cannabis-Betroffene mit Psychosen vor der Tür, war auch weder zu erwarten noch ist das realistisch. Die Literatur aus anderen Regionen der Welt, wo schon legalisiert wurde, zeigt, dass dies eher mit einer Zeitverzögerung einsetzt.

Wann wäre ein realistischer Zeitraum, in dem man sich die Situation noch mal anschauen müsste?

In Kanada und Kalifornien hat man gesehen, dass sich das nach ein, zwei Jahren verändert – etwa die Aufnahmerate in Krankenhäusern. Doch allgemein ist das sehr schwer zu sagen. Denn Cannabis ist nach einer Legalisierung in aller Munde und dann wird auch mehr diagnostiziert. Wie weit es tatsächlich eine Erhöhung der Krankheitsrate gibt, lässt sich aus den bisherigen Studien aber kaum entnehmen.

Gibt es denn aus ärztlicher Sicht eine Gefahr für Psychosen bei Cannabis-Konsum?

Dafür müsste man sich sowohl den Konsum genauer angucken als auch das Wort "Psychose". Eine Psychose hat immer mehrere Ursachen, die kommt nicht nur durch eine Angelegenheit – auch nicht nur durch eine Droge. Es gibt allerdings Zustände durch halluzinogene Substanzen, die einer Psychose ähnlich sind.

Wir kennen Fälle von Menschen, bei denen das nicht so schnell abklingt, wie wir es erwarten würden, wenn es ausschließlich mit dem Konsum zusammenhängt. Deshalb sprechen wir in solchen Fällen davon, dass Cannabis Psychosen nicht etwa unbedingt induziert, sondern eher indiziert, also anzeigt. Das ist schon ein kompliziertes Verhältnis zwischen der Substanz Cannabis – speziell THC (Tetrahydrocannabinol, der Hauptwirkstoff der Cannabispflanze, Anm. d. Red.) – und dem Entwickeln einer Psychose.

Gibt es einen Personenkreis, der stärker gefährdet ist?

Ja, ganz klar: Jugendliche. Sie sollte man auf jeden Fall schützen. Und das Gesetz, also die Entkriminalisierung, gilt ja auch erst ab 18 Jahre. Im Einzelfall kann das aber natürlich auch jemanden betreffen, der älter ist als 18. Aber wir haben insgesamt diese Volljährigkeit mit 18 und dann macht es schon Sinn, das Gesetz auch danach zu formulieren.

(Das Gespräch führte János Kereszti für buten un binnen TV. Aufgeschrieben und redigiert hat es Helge Hommers.)

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  • Moderator Janos Kereszti
    János Kereszti Autor

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 2. Oktober 2024, 19:30 Uhr