Interview

Darum sieht der Gründer des Filmfests Potenzial für Film in Bremen

Matthias Greving sitzt in einem Kinosessel.

Mehr als 100 Filme beim 8. Bremer Filmfest

Bild: Radio Bremen

Mehr als 100 Filme aus unterschiedlichsten Genres werden gezeigt. Matthias Greving hat das Filmfest gegründet – für ihn könnte Bremen sogar Medienstandort werden.

Wieder echtes Kino statt Internet-Stream: Das Filmfest Bremen startet nach der Pandemie wieder im echten Leben und zeigt mehr als 100 Kurz- und Langfilme. Komödien, Dramen, Horrorfilme und Dokumentationen sollen möglichst viele verschiedene Menschen anziehen. Gründer des Filmfests ist Matthias Greving. Der 37-Jährige ist selbst Filmemacher, Drehbuchautor und Produzent. Für ihn ist das Filmfest ein wichtiger Schritt, die Branche in Bremen sichtbar zu machen, wie er sagt. Welche Bedeutung der Film aus seiner Sicht für Bremen hat – und wohin die Reise noch gehen soll, hat er buten un binnen erzählt.

Matthias Greving
Matthias Greving initiierte das Filmfest Bremen im Jahr 2015. Bild: Kinescope Film

Herr Greving, Sie sind der Gründer des Filmfests Bremen. Sie haben offenbar Potenzial gesehen. Das ist für viele gar nicht sichtbar. Welche Rolle spielt der Film in Bremen aus Ihrer Sicht – und Bremen für den Film?

Eigentlich spielt der Film eine große Rolle und ist für die meisten dennoch nicht wirklich sichtbar. Bremerinnen und Bremer kennen den Bremer Tatort und die ein oder andere weitere Produktion wird wahrgenommen, aber dass wir mehrere Hundert Filmschaffende haben, ist den meisten nicht bewusst. Wir haben in Bremen eine Filmbranche, wir haben sehr viele junge Menschen, die im Film aktiv sind. Wir haben zwar keine Filmhochschule, aber wir haben an den Film angelehnte Studiengänge an der Hochschule, an der Uni, auch an der Hochschule für Künste und haben dadurch Verbindungen zum Fernsehen, zum künstlerischen Film – aber auch zum kulturwirtschaftlichen Film, also zu TV-, Streaming und Kinoproduktionen und so weiter.

Sie sind selbst Teil der Film-Szene. Wer und wo sind die Hunderte Filmschaffenden?

Sie sind an vielen Orten tätig. Wir haben freie Kolleginnen und Kollegen, die zum Beispiel mit den festangestellten Mitarbeitenden für Radio Bremen und andere TV Sender, für Spielfilm-Projekte und weitere Produktionen arbeiten. Menschen aus fast allen technischen und kreativen Filmgewerken, darunter auch Autorinnen und Autoren und Regisseure. Und von manchen hat man sicherlich  auch schon einmal gehört: Vom Drehbuchautor und Regisseur André Erkau und der Drehbuchautorin und Regisseurin Claudia Garde (u.a. Stubbe, Tatort, d. Red.) zum Beispiel. Mir fallen noch viele mehr ein – Bremen ist eine Stadt, die einen Chor von Filmschaffenden hat, die aber oft hier nicht arbeiten können, weil es hier nur eine geringe Zahl von Projekten gibt. Aber sie würden wahnsinnig gerne hier leben und arbeiten können. Die meisten wünschen sich, dass am Standort Bremen viel mehr Filme gemacht werden, das wäre nicht nur für die Filmbranche ein großer Gewinn.

Was muss passieren, damit in Bremen mehr Filme gemacht werden können?

Filmproduktion ist ein Subventionsgeschäft. Das liegt einfach an der allgemeinen Situation der Filmproduzenten in Deutschland. Zudem haben wir in Deutschland keine großen Studios, sondern stattdessen hunderte kleine Produktionsfirmen, und nur einige wenige ganz große. Ich nenne mal ein paar: Das sind zum Beispiel Constantin Film in München und die UFA in Berlin. Außerdem die Leonine-Studios mit ihren vielen Firmenbeteiligungen überall in Deutschland. Dann gibt es noch Wiedemann und Berg – und natürlich die Bavaria, die aber eine Sender-Tochter ist und damit nicht frei. Das sind einige der Großen. Dann gibt es eben bundesweit Hunderte andere kleinere Filmfirmen. Und jeder Standort lebt von starken Partnern. Anders als hier hat Köln zum Beispiel die großen Sendergruppen, die viel Geld am Standort ausgeben. Daneben braucht es eine starke Förderung. In Bremen und Niedersachsen haben wir die Nordmedia, die sogenannte kulturwirtschaftlich Förderung, die unter anderem auch Kinofilme fördert. Aber die hat jährlich nur 760.000 Euro aus Mitteln des Landes Bremen. Und wenn ein Spielfilm mindestens 2,5 Millionen Euro kostet, kann man sich vorstellen, dass man mit 760.000 nicht viele Projekte machen kann. Gerade die Filmschaffenden sind sehr drauf angewiesen, dass diese Mittel erhöht werden.

Woanders gibt es also mehr Geld für Filmschaffende?

Andere Standorte haben sicherlich auch mehr Filmschaffende, sie haben aber auch andere Volumina, die dort gefördert werden. Es gibt Bundesförderungen, zu denen das BKM, die FFA, der DFFF und der GMPF zählen, aber ohne eine starke Standortförderung, sind die meisten Projekte gar nicht zu realisieren. Und das ist ein Hemmschuh hier. Und wann kommen Menschen nach Bremen, um hier zu produzieren? Natürlich, wenn sie Vorteile haben. Es gibt auch jetzt schon einige: Sie haben hier neben den tollen Filmschaffenden viele unverbrauchte Motive, sie haben eine Stadt, die Film noch Willkommen heißt, weil hier nicht jeden Tag an jeder Ecke drei Filme gedreht werden, wie in Berlin. Das haben wir alles. Aber wir haben nicht die finanziellen Vorteile, die andere Standorte haben.

Woher soll das Geld kommen?

Das ist eine Entscheidung für den Standort. Demnach ist es ein politisches Instrument zu sagen: 'Wir sehen Bremen als Medienstandort.' Wir wollen und müssen nicht Köln oder Berlin werden, aber Bremen hat eine wunderbare Historie in vielen Projekten mit vielen Filmschaffenden, von denen die meisten nicht einmal wissen, dass sie Bremer sind. Sie haben Oscars gewonnen und Grammys und Emmys – und sind Bremer. Und wenn ich unterwegs bin, treffe ich so viele Bremer. Karl-Walter Lindenlaub, einer der erfolgreichsten Kameramänner in Hollywood für Serien, der kommt aus Bremen. Und es gibt noch viel mehr. Nicht alle, aber einige würden sicherlich gerne in Bremen bleiben und ihre Filme auch hier produzieren, wenn das aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren würde.

Der Senat soll sich für Bremen als Medienstandort oder Filmstandort entscheiden?

Ja. Darüber sprechen wir auch viel, wir bringen das immer wieder an und es gibt Interesse das weiterzuentwickeln. Es gäbe noch andere Instrumente, die man nutzen könnte. Blicken wir auf Österreich: Die haben zum Jahresbeginn ein Steueranreizmodell eingeführt. Bei denen Produktionen für jeden dort ausgegebenen Euro 35 Cent, also 35 Prozent, zurückbekommen – und das ohne Gremien. Claudia Roth (Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Anm. d. Red.) hat angekündigt, dies nun bald auch in Deutschland einführen zu wollen. Das müssen wir abwarten.

Es ist das achte Filmfest dieses Jahr. Fühlen Sie sich denn bislang unterstützt?

Auf jeden Fall. Ich fühle mich definitiv unterstützt. Es wird auch mehr. Und es muss noch mehr werden. Das wissen alle Partnerinnen und Partner und ich weiß, dass es ein Prozess ist, aber Unterstützung haben wir immer erhalten.

Die Bedingungen sind für den Film sind also nicht ideal und doch haben Sie das Filmfest ins Leben gerufen. War das nicht sehr riskant – oder wahnsinnig?

Das war wahnsinnig und kostspielig und doch einer der wichtigsten Schritte hier, um den Standort als Filmstadt ein gemeinschaftliches Fest und auch eine Sichtbarkeit zu geben. Wir erwarten jetzt wieder Gäste aus zwei Dutzend Nationen, es kommen weltweit prämierte Filmschaffende nach Bremen. Der Eröffnungsfilm Das war wahnsinnig und kostspielig und doch einer der wichtigsten Schritte hier, um dem Standort als Filmstadt ein gemeinschaftliches Fest und auch eine größere Sichtbarkeit zu geben. Wir erwarten jetzt wieder Gäste aus zwei Dutzend Nationen, es kommen weltweit prämierte Filmschaffende nach Bremen. Der Eröffnungsfilm 'Kindling' wurde produziert von dem Oscar-Gewinnerteam rund um 'The Kings Speech'. Aber entscheidend ist: Es war wichtig, weil es das hier so noch nicht gab, weil die Menschen in der Stadt es bisher nicht geschafft haben – obwohl viele es wollten – hier ein Filmfest langfristig zu etablieren. Es gab immer wieder kleinere Versuche und jetzt sind wir soweit und wir versuchen, alle mitzunehmen und machen deshalb ein variantenreiches Programm.

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Autorin

  • Autorin
    Birgit Reichardt Redakteurin und Autorin

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. April 2023, 19:30 Uhr