Diese Bremer Betriebe gehören in der Region zu den letzten ihrer Art
Wer kennt eigentlich noch Böttcher, Drechsler und Buchrestaurateure? Wir geben Einblicke in selten gewordene Handwerke.
Erst Ende September wurde sich bei einer zweitägigen Konferenz des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT) mit Problemen der Branche in Bremen und ganz Deutschland beschäftigt. Themen dabei waren vor allem die hohe Steuer- und Abgabenlast, überbordernde Bürokratie und der akute Fachkräftebedarf. Das führe zu Verunsicherung. Manche Handwerksbetriebe finden keine Nachfolge mehr, dabei ist genug Bedarf vorhanden und Arbeit auch. Bestimmte Handwerke werden durch diese Entwicklung immer seltener. Wir haben mit drei Bremer Handwerkerinnen und Handwerkern gesprochen, deren Beruf vom Aussterben bedroht ist
1 Bremens einzige Drechslerei
Eigentlich sollte Bremen für Hans-Peter Schöner nur ein Zwischenstopp sein, aber es kam anders und er blieb in der Hansestadt. Mit abgeschlossenem Meister arbeitete Schöner erstmal als Angestellter. 2010 gründete er dann seine Drechslerei, die heute die letzte in Bremen ist.
Das Tolle an dem Beruf beschreibt Schöner so: "Es gibt einfach jeden Tag etwas Neues. Wir verwenden ja auch sehr viele verschiedene Holzsorten und das macht einfach Spaß." Das Handwerk ist alt und natürlich verändert es sich. Laut Schöner auch einer der Gründe, warum es den Beruf nicht mehr so oft gibt. Viele wollen nicht mit der Zeit gehen. Die Technik habe sich verändert und auch die Nachfrage: "Der Zeitgeist hat sich stark gewandelt. Früher hatte jede Treppe gedrechselte Stäbe. Das machen wir heute kaum noch. Holz war auch einfach eine Zeit lang nicht mehr angesagt, das ist heute wieder anders."
Dafür sind heute andere Sachen gefragt: Griffe, Tempergriffe für Kaffeemaschinen, Holzgewinde und Gewürzmühlen. Was früher mit der Hand gemacht wurde, wird heute teils von oder mit Maschinen bearbeitet. So können zum Beispiel auch größere Massenaufträge bewältigt werden.
Ein anderer Grund für das Aussterben des Handwerks sei der Mangel an Nachwuchs. Schöner bildet noch aus, aber mehr als eine Person im Jahr sei nicht drin, für mehr reichen die Kapazitäten nicht aus.
Früher hatte ich jedes Jahr acht bis zehn Bewerbungen auf dem Tisch liegen. Das ist deutlich weniger geworden. Heute sind es nur noch ein oder zwei.
Hans-Peter Schöner
Dabei sei das Handwerk wichtig und durchaus auch gefragt. Schöner könne sich vor Aufträgen kaum retten. Dabei beliefere er nicht nur Bremen und umzu, sondern auch ganz Deutschland und auch Käufer und Käuferinnen im Ausland.
Um wieder mehr junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, müsse sich in Politik und Gesellschaft laut Schöner etwas ändern: "Es ist ja schon lange forciert worden, dass alle Abitur machen und studieren gehen sollen. Es muss aber nicht jeder Arzt werden. Es ist auch schön, wenn man etwas mit den Händen fertigen kann."
2 Die letzte Böttcherei im Norden
Christoph Krogemann übernahm vor fünf Jahren die Fassfabrik Krogemann von seinem Vater. Im Besitz der Familie ist der Betrieb schon seit circa 1950, Krogemanns Großvater hat ihn gegründet. Damals gab es noch viele Böttcher in Bremen. Heute so gut wie keine mehr.
Eigentlich wollte Krogemann gar kein Böttcher werden und machte deshalb nach der Schule eine Ausbildung zum Tischler. "Ich habe lange Zeit auch in der Schweiz gelebt und dort als Tischler gearbeitet. Aber es war für mich klar, dass ich irgendwann zurück komme." Die Arbeit in dem Betrieb hat ihm nämlich auch früher schon Spaß gemacht und als sein Vater den Betrieb abgeben will, schlägt er zu.
Ich bin hier groß geworden. Als Kind wollte ich nie in den Kindergarten, ich wollte immer mit meinem Papa in die Firma fahren.
Christoph Krogemann
Die Arbeit im Betrieb habe sich im Laufe der Zeit verändert. "Früher war mein Vater noch wochenlang auf Montage in Schweden oder Belgien, das gibt es heute fast gar nicht mehr." In den 70ern sei die Nachfrage nach Holzfässern nicht mehr so groß gewesen. Viele Betriebe überstanden das nicht. "Wir haben immer weltweit gearbeitet und hatten viele Kontakte. So hatten wir immer Aufträge." Seit Ende der 90er ist die Nachfrage wieder größer.
Für hochwertigere Weinsorten werden immer noch Holzfässer verwendet und Whiskey müsse sogar in Holzfästern gelagert werden, das sei Pflicht. Auch durch Privatkunden im Gartensektor gebe es Arbeit. Gebrauchte Fässer werden hier zu Blumenkübeln oder Regentonnen.
Man merkt einfach, ob etwas im Fass oder im Edelstahltank gelagert wird.
Christoph Krogemann
Aber ein bisschen weniger ist los, durch Corona und wegen der steigenden Preise sind auch die Einkaufspreise für die Fässer stark gestiegen. Da seien auch die Kunden zurückhaltender.
Außerdem sei es schwierig mit dem Nachwuchs: "Ich hatte einen gut ausgebildeten Gesellen. Nach zwei Jahren wollte er dann doch lieber studieren gehen." Krogemann könne den Nachwuchs nicht halten. Generell empfinde er es so, dass die "Jüngeren" nicht mehr genug arbeiten wollen. Vielen sei die Arbeit bei ihm einfach zu anstrengend. Aber das ist gerade für ihn auch das Schöne: "Man sieht täglich, was man geschafft hat."
3 Birgit Drücker restauriert Bücher
Birgit Drücker restaurierte schon seit 1979 Bücher in ihrer eigenen Werkstatt in Bremen. Die 71-Jährige machte keine klassische Ausbildung, sondern studierte in Kiel Kunst. "Ich war früher eigentlich keine Buchliebhaberin. Ich habe Bücher schon gequält und bin nicht besonders pfleglich damit umgegangen."
Im Studium hat sie dann aber das erste Mal eine Buchwerkstatt betreten und war von Anfang an begeistert. Das Handwerk habe sie sich dann durch Seminare und Weiterbildungen angeeignet. Und auch wie man einen Betrieb führt hat sie sich selbst beigebracht.
Ich wusste anfangs nicht einmal, wie man eine Quittung ausfüllt.
Birgit Drücker
In ihrer Werkstatt habe Drücker viel Kundenkontakt. Die Wünsche sind vielfältig: besonderes Papier, eine besondere Größe, eine besondere Aufmachung oder auch eine Sonderanfertigung. Sie arbeite nicht nur mit Büchern, sondern auch mit Verpackungen, Kartonagen oder Kisten. Nicht nur Privatpersonen kommen zu Drücker, auch Museen oder Bibliotheken kommen mit alten Büchern zu ihr. Oft fehle den Museen allerdings das Geld. Eine Restauration könne nämlich in manchen Fällen bis zu 1.000 Euro kosten. Da sitze sie dann aber auch Wochen oder Monate dran. In der Regel ist es günstiger, zwischen 30 und 120 Euro: "Das kommt immer darauf an, es ist auch eine Stundenfrage."
Heute ist Drücker Rentnerin. Ihre Werkstatt nicht mehr zu betreiben, kann sie sich aber überhaupt nicht vorstellen. Solange Hände und Auge noch funktionieren, will sie weitermachen: "Ich habe das Gefühl, dass ich noch gebraucht werde". Vor allem weil größere Buchbindereien für Restaurationen nicht sehr viel Zeit hätten.
Ich habe das Gefühl, dass ich noch gebraucht werde.
Birgit Drücker
Damit das Handwerk nicht verloren geht, bietet Drücker in ihrer Werkstatt auch Kurse an. Die seien auch immer gut besucht: "Ich habe vor 40 Jahren einmal Werbung gemacht und seitdem nie wieder." Teilweise gibt es Teilnehmer und Teilnehmerinnen, die schon seit 20 Jahren regelmäßig die Kurse besuchen. Die Ausbildung im Handwerk sollte ihrer Meinung nach generell mehr gefördert werden. Wenn das nicht passiere, gehe das Handwerk verloren und damit auch wichtige Fähigkeiten. Das wäre gesellschaftlich gefährlich. Aufträge habe die Bremerin jedenfalls genug. "Ich bin mir aber sicher, dass es weniger wird", sagt sie.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 3. November 2024, 19:30 Uhr