Fragen & Antworten

Wie Bremer Firmen und Beschäftigte Krankenstände kleinhalten können

Bremer Unternehmer im Talk: Lohnt es sich zu sehr, krank zu sein?

Bild: dpa | Westend61/Irina Heß

Infekte, Rückenschmerzen, psychische Leiden: Die Krankenstände in Bremen sind hoch. Was kann man dagegen tun? Arbeitgeber, Arbeitnehmerkammer und Krankenkassen geben Tipps.

Die gute Nachricht vorweg: Der Krankenstand im Land Bremen ist 2024 gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken. Das gilt zumindest für jene Beschäftigten, die bei der DAK-Gesundheit versichert sind. Sie waren 2024 durchschnittlich an 19 Tagen krankgeschrieben und damit an drei Tagen weniger als 2023.

Die schlechte Nachricht: 2023 war das Rekordjahr. Das heißt: Der Krankenstand im Land Bremen war auch 2024 immer noch hoch. Er lag mit 5,3 Prozent nur leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 5,4 Prozent.

Die Zahlen der DAK ähneln denen anderer Krankenkassen. Die meisten Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen im Land Bremen lassen sich demnach auf Atemwegserkrankungen, Rückenbeschwerden und psychische Erkrankungen zurückführen. Was aber tun Bremer Unternehmen, um die Krankenstände überschaubar zu halten? Ein Überblick.

Älterer Herr mit Brille und Krawatte guckt für Portrait in Kamera
Christoph Holtkemper hat gute Erfahrungen mit Prämien für Anwesenheit gemacht. Bild: Christoph Holtkemper

Es gibt Bremer Unternehmen, die ihren Beschäftigten Prämien für Anwesenheit zahlen. Mit welchem Erfolg?

Gute Erfahrungen damit haben die Geschäftsführer Julius C. Runge vom Fachgroßhandel Tegro und Christoph Holtkemper von Roland-Umschlag gemacht. Beide berichten von niedrigen Krankenständen.

Holtkemper hat bereits vor 23 Jahren ein Prämien-System in seiner Firma eingeführt, von dem jene Beschäftigten profitieren, die selten krank werden. "Wir belohnen Anwesenheit", erklärt er das Modell. Wer in einem Halbjahr an keinem Tag ausfalle, könne 1.500 Euro brutto zusätzlich verdienen, bei ein bis fünf Fehltagen gebe es noch 850 Euro, bei sechs bis zehn Fehltagen 650 Euro.

"Die Versuchung, etwa an Brückentagen kurzerhand blauzumachen, ist bei uns einfach viel kleiner als woanders", sagt Holtkemper dazu. Und trotz des Prämien-Modells sei es nicht so, dass sich, wer ernsthaft krank sei, zur Arbeit schleppe.

Ähnlich äußert sich Julius C. Runge vom Fachgroßhandel Tegro. Sein Unternehmen zahlt Beschäftigten seit rund zwei Jahren für Monate ohne Krankheitstage eine Prämie von 150 Euro. "Wir nennen das Vertretungsbonus", sagt er dazu. Denn diejenigen, die nicht krank seien, übernähmen Aufgaben derer, die krankgeschrieben sind. Um ein Drittel sei der Krankenstand in seiner Firma seit Einführung der neuen Regelung zurückgegangen, sagt Runge. Auch ihm ist der Hinweis wichtig, dass das Modell gut von der Belegschaft angenommen werde und "keiner mit dem Arm unterm Kopf zur Arbeit kommt."

Weniger gute Erfahrungen mit Prämien für Anwesenheit hat die Glaserei Lenderoth gemacht. Dort hat Geschäftsführer Dennis Biller voriges Jahr ein Prämienmodell eingeführt – ohne Erfolg. "Das hat bisher nichts gebracht", sagt er. Der Krankenstand sei ähnlich wie eh und je. "Ich gucke mir das noch drei Monate an. Wenn es nicht besser wird, stampfe ich das wieder ein."

Mann mit weißem Hemd und Anzug, mit Dreitagebart und dunklen Augen guckt für Portrait in Kamera
Ist überzeugt von Prämien für Anwesenheit: Julius C. Runge. Bild: Julius Runge

Was spricht gegen Prämien für Anwesenheit?

Der BKK Dachverband der Betriebskrankenkassen und die Arbeitnehmerkammer Bremen lehnen das Modell ab. Denn Prämien für Anwesenheit könnten Beschäftigte dazu verleiten, krank zur Arbeit zu kommen und auf diese Weise ihrer Gesundheit zu schaden. Auch könnten sie womöglich andere anstecken, teilt Arbeitnehmerkammer-Sprecherin Nathalie Sander mit. Sie plädiert statt dessen dafür, dass Unternehmen die Gefährdungen am Arbeitsplatz regelmäßig analysieren, um daraus geeignete Schlüsse zu ziehen.

Wie kann man sich eine derartige Gefährdungsanalyse am Arbeitsplatz vorstellen?

Alle Arbeitgeber seien durch das Arbeitsschutzgesetz zu Gefährdungsanalysen in ihren Unternehmen verpflichtet, sagt Dennis Wernstedt, Experte für Arbeits- und Gesundheitsschutz bei der Arbeitnehmerkammer Bremen. Eine "Gefährdung" könnten beispielsweise schon schlechte Lichtverhältnisse am Schreibtisch darstellen.

"In aller Regel kümmern sich die Arbeitgeber gut um die technische Analyse von Gefährdungen", sagt Wernstedt. Allerdings gebe es eine Ausnahme: Psychische Belastungen würden häufig noch unterschätzt. Sie seien erst seit 2013 im Arbeitsschutz verankert. Wernstedt denkt dabei etwa an ständige Unterbrechungen bei der Arbeit durch zu viel Lärm im Großraumbüro. Gute Maßnahmen, um Mitarbeiter zu entlasten, könnten unter Umständen Stillarbeitszeiten oder auch Stillarbeitsräume sein.

Was können Beschäftigte tun, wenn sich ihre Arbeitgeber nicht um den Arbeitsschutz kümmern?

Wernstedt räumt ein, dass man als Beschäftigter unter Umständen in der Praxis weitgehend auf sich alleingestellt sein kann mit seinen Problemen. Gleichwohl habe man das Recht dazu, bei seinem Vorgesetzten Vorschläge zum Arbeitsschutz einzubringen: "Daraus darf einem kein Nachteil entstehen", so Wernstedt. Unter Umständen kann man auch den Betriebsrat auf Missstände aufmerksam machen.

Längst nicht alle Unternehme aber verfügen über einen Betriebsrat. Die Arbeitnehmerkammer fordert daher: "Die Politik ist hier gefragt, die Mitbestimmung zu stärken und die Gründung von Betriebsräten zu erleichtern. Denn Betriebsräte sind wichtig für eine gesunde und sozialgerechte Gestaltung der Arbeitswelt." Gern stehe die Arbeitnehmerkammer Unternehmen, die einen Betriebsrat gründen wollen, beratend zur Seite.

Eine Gruppe von Senioren beim Fitness Workout
Leichtes Fitness-Training, gerade für die Schulter- und Nackenmuskulatur, ist für Vielsitzer wichtig zur Gesundheitsprävention. Viele Krankenkassen bezahlen solche Kurse. Bild: dpa | Zoonar/Robert Kneschke

Was können Unternehmen und Beschäftigte von sich aus machen, um möglichst gar nicht erst krank oder gar arbeitsunfähig zu werden?

Vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Krankmeldungen auf Atemwegserkrankungen zurückgeht, rät der BKK Dachverband Betriebskassen insbesondere davon ab, mit Erkältungssymptomen zur Arbeit zu gehen: "Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben."

Gabriele Nottelmann, Sprecherin der Handelskrankenkasse in Bremen, empfiehlt neben Sport zur Prävention sogenannte Gesundheitszirkel im Unternehmen. Dabei handelt es sich um Workshops, bei denen gesundheitliche Probleme am Arbeitsplatz analysiert und dazu Maßnahmen erarbeitet werden. "In der Regel finden die Unternehmen die Themenstellungen für Gesundheitszirkel durch Mitarbeitenden-Befragungen heraus oder durch konkrete Hinweise aus der Belegschaft", so Nottelmann.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 6. April 2025, 19.30 Uhr