So wichtig sind syrische Mitarbeiter für das Bremerhavener Klinikum
38 syrische Ärztinnen und Ärzte arbeiten im Klinikum Reinkenheide. Nach dem Sturz des Assad-Regimes stellen sich einige die Frage, ob sie zurück in ihre Heimat gehen sollen.
Seit acht Jahren arbeitet Ayman Zoaa als Oberarzt am Klinikum Reinkenheide in Bremerhaven. "Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut, bin inzwischen deutscher Bürger geworden, betrachte Deutschland als zweite Heimat", sagt er.
Der Umsturz in seiner ersten Heimat hat auch bei Oberarzt Ayman Zoaa große Freude ausgelöst. "Das bedeutet, wir dürfen unser Land wieder besuchen, unsere Angehörigen, Verwandten, Freunde, unsere Unis."
Es ist schwer zu beschreiben, wie toll dieses Gefühl ist.
Ayman Zoaa, Oberarzt am Klinikum Reinkenheide
Flucht ohne Frau und Baby
2015 ist er aus Syrien geflohen, allein, ohne seine damals schwangere Frau. Als er sie nachholen konnte, war seine Tochter schon elf Monate alt. In Syrien sah er keine Zukunft für sich und seine Familie: "Die Zukunft war für uns schwarz. Da gab es keine Hoffnung auf Verbesserung, es wurde immer gefährlicher."
Zoaa arbeitete in Aleppo. Einen Monat nach seiner Flucht wurde die Gegend belagert und danach erobert. "Das Krankenhaus, in dem ich gearbeitet habe, wurde damals dann zerstört."
Über die Türkei, Griechenland, Ungarn und Österreich kam Zoaa in Baden-Württemberg an. Er musste zwei Prüfungen ablegen und erhielt schließlich seine Approbation. 30 Bewerbungen liefen dann allerdings ins Leere, eine Zusage gab es schließlich vom Bremerhavener Klinikum Reinkenheide.
Chefarzt lernt Arabisch
Dort ist Martin Holtmann seit 2012 Chefarzt der Medizinischen Klinik I. Von Anfang an habe er jede Chance genutzt, ausländische Fachkräfte zu gewinnen, sagt er: "Syrien war von jeher eine Gesellschaft mit einem leistungsorientierten Bildungssystem. Die Besten gehen zuerst. Und wenn sie die Besten haben wollen, müssen sie sofort die Hand heben und 'Hallo, hier ich' rufen."
Holtmann hat sogar Arabisch gelernt, um sich abseits des Klinikalltags mit seinen syrischen Kollegen unterhalten zu können. "Wir finden das sehr respektvoll, dass unser Chef unsere Sprache gelernt hat", sagt Zoaa.
Die Arbeitssprache im Klinikum ist aber Deutsch. Das gilt auch für alle Mitarbeitenden untereinander, stellt Holtmann klar. Fachlich, sagt er, habe er keinen Zweifel an der Kompetenz der syrischen Mitarbeiter, sie stammen alle von Eliteuniversitäten in Damaskus und Aleppo. "Aber das A und O ist nun mal die Sprache und sprachliche Integration braucht Zeit und geschieht vor Ort."
Syrer wollen ihr Land unterstützen
In Bremerhaven traf Zoaa auf viele syrische Kollegen, darunter Flüchtlinge der ersten Stunde. Seit dem Sturz Assads diskutieren sie über eine mögliche Rückkehr. "Ich glaube schon, dass viele zurückkehren wollen, aber nicht sofort und in dieser Masse, die man sich vorstellt. Aber auf der anderen Seite haben wir das Gefühl, dass wir in der Pflicht sind gegenüber unserem Land."
Sie wollen sich deshalb am Wiederaufbau beteiligen, medizinische Hilfe leisten und einen bundesweiten Verein gründen, erzählt Zoaa. Rund 1.500 Unterstützer seien mittlerweile zusammengekommen. "Die Leute sind richtig motiviert, dass wir Medikamente, Instrumente ins Land bringen. Ich hoffe, dass wir eine Rolle für unsere Leute spielen können."
Fachkräfte aus Aserbaidschan und aus Indonesien gewinnen
38 Ärztinnen und Ärzte am Klinikum Reinkenheide sind Syrer, zwölf haben mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Rückkehr des einen oder anderen Mitarbeitenden würde eine personelle Lücke reißen, denn sie bilden einen Anteil von knapp 14 Prozent aller Ärzte am Klinikum.
Chefarzt Holtmann setzt deshalb weiter darauf, ausländische Fachkräfte zu gewinnen: "Wir bekommen viele Bewerbungen aus Aserbaidschan und aus Indonesien und wir erleben in abgeschwächter Form ein Déjà-vu-Erlebnis. Und wir werden uns auch diesen Migrantenströmen nicht verweigern und weiterhin versuchen, eine offene Gesellschaft zu sein."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 22. Januar 2025, 19.30 Uhr