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Nach Polizeikosten-Urteil – Wie geht es jetzt weiter?

Bundesverfassungsgericht: DFL muss bei Hochrisikospielen zahlen

Bild: Imago | Mis

Nach jahrelangem Streit ist klar: Bremen und die anderen Länder dürfen die DFL für Polizeikosten bei besonders gewaltgeneigten Fußballspielen zur Kasse bitten. Das sind die Konsequenzen.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Beteiligung der Fußball-Proficlubs an den Polizeikosten für Hochrisikospiele sind nun die Bundesländer am Zug. Doch die geben bei der heiklen Frage nach der Kostenübernahme ein gespaltenes Bild ab. Viele Fragen bleiben offen nach dem Spruch der Karlsruher Richter. Sie hatten die Beschwerde der Deutschen Fußball Liga (DFL) gegen eine Regelung aus Bremen zurückgewiesen.

2015 hatte der Stadtstaat Bremen der DFL erstmals rund 400.000 Euro für die Polizeikosten für die Bundesliga-Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV in Rechnung gestellt. Weitere Bescheide folgten. Insgesamt geht es nach Angaben der Stadt Bremen mittlerweile um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro. Die DFL wehrte sich vor Gericht gegen die Rechnungen, unterlag nun aber vor dem Bundesverfassungsgericht.

In diesem Artikel:

Wie stellt Bremen sich eine Lösung vor?
Wie reagieren die anderen Länder? 
Haben Werder Bremen und die DFL einen Vorschlag?
Was ist eigentlich ein Hochrisikospiel und wer bestimmt das?
Wird der Fußball im Stadion für die Fans jetzt bald noch teurer?
Welche Auswirkungen hat das Urteil für Clubs der 3. Liga und der Regionalligen? 
Müssen auch andere Sportveranstalter jetzt für Polizeischutz zahlen?
Könnten Veranstaltungen abseits des Sports betroffen sein?
Was sagen Kommunen zu dem Urteil?

Wie stellt Bremen sich eine Lösung vor?

Bremens Innensenator Ulrich Mäurer, der sich über viele Jahre hinweg mit dem Profifußball angelegt hat, hofft auf eine einheitliche Lösung bei der Innenministerkonferenz. Er wiederholte einen Vorschlag, wie das Urteil in die Praxis umgesetzt werden könnte: "Die Profiliga zahlt in einen Fonds ein, und die Polizeien des Bundes und der Länder werden dann nach dem Aufwand abgerechnet", sagte der SPD-Politiker.

Wie reagieren die anderen Länder? 

Bisher sind die Bundesländer bei der Frage der Kostenübernahme uneins. Viele wollen erst die Urteilsbegründung prüfen. Die Innenministerien könnten den Clubs in Zukunft die zusätzlichen Kosten für Hochrisikospiele in Rechnung stellen. Niedersachsen und Hamburg erwägen zumindest ein ähnliches Modell wie Bremen und sind damit offen für eine Kostenbeteiligung der Clubs. Dagegen bekräftigten Bayern, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg, weiterhin keine Kostenbeteiligung zu planen. Hessen strebt ein bundesweit einheitliches Vorgehen an.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, allein die Bundespolizei setze schon jetzt rund 2.000 Polizistinnen und Polizisten an jedem Spieltag ein. "Das ist ein riesiger Kraftakt für die Sicherheit des Fußballs und seiner Fans", sagte Faeser. "Wir brauchen einen Schulterschluss mit den Vereinen, um gegen Gewalt konsequent vorzugehen."

Haben Werder Bremen und die DFL einen Vorschlag?

Werder Bremen hofft auf eine gemeinsame Lösung der Clubs unter dem Dach der Deutschen Fußball Liga. "Die DFL ist mindestens Co-Veranstalter, und auch die Gästefans tragen zu einem Hochrisikospiel bei. Wir wünschen uns die Solidargemeinschaft der Liga und eine faire Verteilung der Kosten", erklärte Tarek Brauer, Geschäftsführer Organisation und Personal des Vereins.

Werder darf nicht alleine die Zechen zahlen. Das wäre eine Benachteiligung für uns, das tut uns weh.

Werder Bremen über Tarek Brauer, Geschäftsführer Organisation und Personal

Die DFL hält sich mit einer Prognose zurück. Die kommenden Wochen und Monate würden zeigen, welche Folgen das Urteil haben wird. Darüber wolle man nicht spekulieren, sagte Anwalt Bernd Hoefer nach dem Urteil.

Was ist eigentlich ein Hochrisikospiel und wer bestimmt das?

Als Hochrisikospiele werden solche Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Nach DFL-Angaben gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Begegnungen in der 1. und 2. Liga 52 sogenannte "Rotspiele". Bei normalen Bundesligaspielen in Bremen sind 500 bis 600 Ordnungskräfte im Einsatz, bei Hochrisikospielen 800 bis 1.000, wie in der Verhandlung am Verfassungsgericht 2024 erklärt wurde. 

Der DFB unterscheidet zwischen "Spielen mit erhöhtem Risiko" und "Spiele unter Beobachtung". Die Einstufung nehmen der gastgebende Verein zusammen mit DFB oder DFL vor und beziehen dabei die Sicherheitsbehörden mit ein. 

Wird der Fußball im Stadion für die Fans jetzt bald noch teurer?

Dass die Gebühren für Polizeikosten bei Hochrisikospielen anteilig auf die Tickets umgeschlagen werden, dafür gab es bisher keine Ankündigung aus dem Profilager. 

Welche Auswirkungen hat das Urteil für Clubs der 3. Liga und der Regionalligen? 

Der Profifußball spielt unter dem Dach der DFL, alles darunter fällt in die Zuständigkeit des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Der DFB sieht drohende Gebührenbescheide für viele Vereine, vor allem in der 3. Liga und der Regionalliga, als potenziell "existenzgefährdend". Hochrisikospiele mit mehr als 5.000 Zuschauern gibt es auch dort, zuletzt zum Beispiel in der Regionalliga bei den Begegnungen Eintracht Frankfurt II - Kickers Offenbach oder FC Carl Zeiss Jena BSG Chemie Leipzig, dort mit 79 Verletzten. Gebührenbescheide in sechsstelliger Höhe könnte kein Verein unterhalb der 2. Bundesliga stemmen. 

Bei der 1. und 2. Bundesliga sei eindeutig, dass die Spiele trotz der Gebührenerhebung weiter durchgeführt werden könnten, sagte Rechtsanwalt Sebastian Nellesen, der im April für den Deutschen Anwaltverein als Sachverständiger vom Bundesverfassungsgericht geladen worden war. "Die Gebührenerhebung hat keine erdrosselnde Wirkung. Dafür ist der Umsatz der DFL zu hoch." Grundsätzlich könne eine Gebührenerhebung aber durchaus scheitern, wenn sie dazu führe, dass Veranstaltungen nicht mehr stattfinden könnten, erklärte Nellesen.

Müssen auch andere Sportveranstalter jetzt für Polizeischutz zahlen?

Nicht unbedingt. Die nun bestätigte Regelung in Bremen bezieht sich auf "gewinnorientierte, erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen" mit mehr als 5.000 Menschen. Krawallmacher sind im Sport vornehmlich im Fußball unterwegs, deshalb sind dort die Sicherheitsvorkehrungen wesentlich größer. Die verbotene Pyrotechnik ist auch in erster Linie ein Dauerproblem bei Deutschlands Sportart Nummer 1. 

Geschäftsführer Stefan Holz von der Basketball-Bundesliga verwies indes auf Clubs, die in internationalen Wettbewerben gegen Mannschaften aus zum Beispiel der Türkei oder auch Israel spielen, wo immer viel Polizei im Einsatz sei. "Sollen das dann unsere Vereine bezahlen?", fragte Holz.

Könnten Veranstaltungen abseits des Sports betroffen sein?

"Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden", forderte ein Sprecher des Fanbündnisses "Unsere Kurve", schränkte aber auch ein: "Ob wir als Gesellschaft das allerdings wollen, darf bezweifelt werden." Auch wenn sich die Karlsruher Entscheidung nicht grundsätzlich auf Fußball beschränke, bezweifelt Rechtsanwalt Nellesen, dass das Urteil auch auf derartige Veranstaltungen Auswirkungen haben könnte. 

Was sagen Kommunen zu dem Urteil?

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund erwartet durch das Urteil laut seines Sprechers Alexander Handschuh keine unmittelbaren Folgen für weitere Veranstaltungen. Das Urteil werde geprüft. "Wir sehen aber im Moment da jetzt keine kommunale Betroffenheit, die sich jetzt irgendwie abzeichnet", sagte Handschuh.

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Quelle: dpa.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 14. Januar 2025, 19:30 Uhr