Wie ist der Stand der Dinge beim Zoff ums Kirchenasyl in Bremen?

Bremerhavener Kirchen gewähren vielen Flüchtlingen Asyl

Bild: Radio Bremen | Nils Fricke

Anfang Dezember kochte der Streit um das Kirchenasyl in Bremen hoch. Seitdem sind zwei Fälle, ein Gerichtsurteil und eine heftige Debatte in der Bürgerschaft hinzugekommen.

Seit zwei Wochen schwelt in Bremen der Konflikt um das Kirchenasyl. In der Nacht zum 3. Dezember hatte die Polizei versucht, die Abschiebung eines Somaliers aus dem Kirchenasyl in der Zionsgemeinde in der Bremer Neustadt durchzusetzen. Gemeindemitglieder und Aktivisten verhinderten das, einige Tage später untersagte dann das Verwaltungsgericht die Abschiebung.

In der vergangenen Woche war dann bekanntgeworden, dass die Friedensgemeinde im Viertel einen weiteren Somalier in Obhut genommen hat, dem ebenfalls die Abschiebung droht. Und in dieser Woche dann ein dritter Fall: Der Bremer Flüchtlingsrat und der Anwalt des Betroffenen berichteten, dass ein Mann aus der Rembertigemeinde in Schwachhausen über Dänemark nach Schweden abgeschoben werden sollte. Das scheiterte allerdings daran, dass die dänischen Behörden nicht rechtzeitig zugestimmt hatten.

Kirchenasyl sorgt für Zoff innerhalb der Regierung

In den vergangenen Tagen entwickelte sich um das Kirchenasyl und die Abschiebungen ein Streit innerhalb der rot-grün-roten Regierungskoalition. Höhepunkt war ein Schlagabtausch auf offener Bühne in der Bremischen Bürgerschaft.

Die Co-Vorsitzende der Linken-Fraktion, Sofia Leonidakis, sagte während der Debatte: "Der Bruch des Kirchenasyls ist für uns als Linke ein No-Go. Das ist nicht im Namen der Linken geschehen. Das passt nicht zu einer rot-grün-roten Koalition. Ich habe wahnsinnigen Respekt vor den Aktivisten, die die Abschiebung verhindert haben. Danke, dass ihr weitermacht."

CDU: "Diese Koalition ist am Ende"

Der Oppositionsführer und Chef der CDU-Fraktion, Frank Imhoff, deutete das als Abrechnung mit dem Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) und folgerte: "Diese Koalition ist am Ende. Offensichtlich hat sie nicht mehr die Unterstützung der Linken-Fraktion." Innensenator Mäurer hatte in der Debatte versucht, die Gemüter zu beruhigen und die Debatte zu versachlichen. Er rief dazu auf, weiter miteinander an einer Lösung zu arbeiten.

Zuvor hatte Mäurer den Gemeinden aber auch vorgeworfen, Menschen in Kirchenasyl zu nehmen, die gar nicht in Bremen lebten. Um seinen Vorwurf zu unterfüttern, legte Mäurers Behörde Zahlen vor, denen zufolge in Bremen wesentlich mehr Menschen in Kirchenasyl genommen werden als im bundesweiten Schnitt.

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Viele Fälle von Kirchenasyl in Bremerhaven

Der oberste Theologe der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), Bernd Kuschnerus, wies das zurück.

Ich habe ehrlich gesagt ein anderes Bild und eine andere Erfahrung von Kirchenasyl. Nämlich, dass Kirchengemeinden auf Menschen stoßen, die in Not sind, denen Furchtbares passiert ist und dass sie die einfach aus menschlichen Gründen unterstützen.

Bernd Kuschnerus, Schriftführer BEK

Kuschnerus sagte auch, dass man die Zahlen differenziert betrachten müsse, weil rund die Hälfte der aktuellen Fälle von Kirchenasyl auf Bremerhaven entfallen. Allerdings sei die BEK nur für eine Gemeinde in Bremerhaven zuständig, die anderen Bremerhavener Gemeinden lägen in der Zuständigkeit der niedersächsischen evangelischen Kirche. Tatsächlich fallen diese in die Zuständigkeit der hannoverschen Landeskirche.

Fünf Bremerhavener Gemeinden gehören zu Niedersachsen

Nach Kenntnis des Bremer Innenressorts gibt es in Bremerhaven derzeit keine Person, die nach Dublin-Regeln in andere Länder überstellt werden müsste und sich daher ins Kirchenasyl begeben hätte. Das sagte ein Sprecher zu buten un binnen. Nach dem Dublin-Verfahren ist derjenige EU-Staat für Flüchtlinge zuständig, in den diese zuerst eingereist sind. Das Ressort bezieht sich dabei laut des Sprechers allerdings ausschließlich auf Kirchenasyl-Zahlen der Ausländerbehörden des Landes Bremen, in der Stadt Bremen das Migrationsamt, in Bremerhaven das Bürger- und Ordnungsamt.

In Bremerhaven muss die Zahlenlage aber gesondert betrachtet werden. Fünf dortige evangelische Gemeinden hatten für das laufende Jahr zuletzt von rund 100 Fällen gesprochen. Da diese Gemeinden aus historischen Gründen jedoch zur Landeskirche Hannover gehören, werden diese Zahlen laut der BEK statistisch Niedersachsen zugerechnet. Sie sind nicht Teil der Zahlen des Bremer Innenressorts.

Pfarrer: Druck auf die Geflüchteten steigt

Der Pfarrer der Johanneskirche in Bremerhaven, Sebastian Ritter, sagte im Gespräch mit buten un binnen, dass seine Gemeinde Anfragen zum Kirchenasyl aus ganz Deutschland bekäme, seitdem mehr abgeschoben werde. Seine Gemeinde stehe auf einer weit verbreiteten Liste mit Kirchenasyl-Plätzen.

In ganz Deutschland haben die Gemeinden, die Kirchenasyl anbieten, alle Plätze belegt.

Sebastian Ritter, Pfarrer Johanneskirche Bremerhaven

Auch der Pfarrer der Bremerhavener Kreuzkirche kann den Vorwurf Mäurers nicht nachvollziehen. In seinen Augen erklärt sich die Zunahme der Kirchenasyl-Fälle mit dem gestiegenen Druck auf die Geflüchteten – und nicht mit der Nachlässigkeit der Gemeinden. Seit dem Sturz des Assad-Regimes sei die Furcht vor Abschiebung weiter gestiegen.

Mehr zum Kirchenasyl:

  • Offenbar weiterer Abschiebeversuch aus Kirchenasyl in Bremen

    Die Rückführung sollte am Dienstag stattfinden und ist offenbar vorerst gescheitert. Dem Somalier wird derzeit in der Schwachhauser Rembertigemeinde Kirchenasyl gewährt.

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Dezember 2024, 19:30 Uhr