Interview
Bremer Bildungsexpertin fordert höhere Standards für Kita-Personal
Bremer Bildungsexpertin: Die "Bestausgebildetsten" gehören in die Kita-Betreuung
Ilse Wehrmann sieht den Vorstoß kritisch, nicht ausgebildetes Personal in Kitas zu holen. Viel wichtiger wäre es, ausländische Abschlüsse schneller anzuerkennen.
In Kitas im Land Bremen sollen künftig auch Menschen ohne pädagogische Ausbildung Kinder allein betreuen. Allerdings brauchen sie dazu eine Mindestqualifikation. Das sieht ein Kompromiss vor, den der rot-grün-rote Bremer Senat am Dienstag als Gesetzentwurf auf den Weg gebracht hat. Mit der Gesetzesänderung will Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) etwas gegen den immensen Fachkräftemangel in Kitas tun.
Ilse Wehrmann, Expertin für frühkindliche Erziehung, erläutert im Interview mit buten un binnen, warum sie diesen Ansatz für falsch hält und wo sie stattdessen Handlungsbedarf sieht.
Frau Wehrmann, ist das aus Ihrer Sicht eine gute Lösung?
In der Medizin käme keiner auf die Idee, nicht ausgebildetes Personal einen Blinddarm herausnehmen zu lassen. Nach unten gehören die am besten Ausgebildeten. Alles im Bildungsbereich baut darauf auf. Das kann man international sehen.
Ich würde mir wünschen, dass man in Bremen auch den Mut hat, pädagogische Abschlüsse aus dem Ausland schneller anzuerkennen. Wir leiden in Bremen auch unter dem Thema Bürokratie.
Sie sprechen von ungelerntem Personal, aber in dem Punkt ist Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) zurückgerudert. Es gibt Mindestanforderungen.
Das reicht aber nicht. Pädagogen brauchen ein Studium, eine lange Ausbildung. International wird die deutsche Erzieherausbildung nicht mehr anerkannt. Da hat man ein Studium und spezialisiert sich auf Schulpädagogik oder auf Kindergarten. So ist es international üblich.
In den 1970er-Jahren war Bremen das El Dorado der frühen Bildung. Wir haben alles mit aufgebaut in Deutschland. Ich wünsche mir, dass wir dahin zurückkehren. Wir müssen gucken, wo wir gut ausgebildetes Personal herbekommen. Wer ist geeignet für diesen Beruf?
Aus Ihrer Sicht sind die Standards also zu niedrig. Was bedeutet das für die Kinder in den Kitas?
Dass in der Grundschule 40 Prozent der Kinder nicht lesen und schreiben können. Erzieher sind Zukuftsgestalter eines Landes. Da werden die Grundlagen gelegt, alles andere baut darauf auf. Da gehören die am besten Ausgebildeten und am besten Bezahlten hin. Alles andere, wie das polizeiliche Führungszeugnis, ist für mich keine Eignung für diesen Beruf.
Sie befürchten, dass sich dadurch die späteren Schulleistungen der Kinder verschlechtern?
Ich habe die Sorge, dass wir zu viele Standards absenken. Bei Kindern unter drei Jahren müssten wir bei Gruppen von acht bis neun Kindern bleiben und an zwei bis drei Pädagogen denken – wie es die anderen Bundesländer auch machen. Wenn Bremen keine attraktiven Rahmenbedingungen schafft, gehen die Pädagogen in andere Bundesländer.
Wo kann das fehlende Fachpersonal herkommen?
Wir müssen ausländische Ausbildungsabschlüsse schneller anerkennen und Pädagogikstudenten einbeziehen. Ich finde es wichtiger, nach oben zu gucken und nicht nach unten.
Aber wir können auch gucken, wo wir geeignete freie Räume haben, an denen wir mit Kindern arbeiten können. Es kann nicht sein, dass wir uns alle daran gewöhnen, dass Tausende Kinder in Bremen keinen Kitaplatz haben. 2007 in meiner Doktorarbeit habe ich den runden Tisch gefordert, der nun eingerichtet wurde.
Denken Sie, dass die Standards irgendwann auch wieder hochgesetzt werden?
Dafür müssen wir kämpfen, das wird uns von der Politik nicht geschenkt. Es ist ein Skandal, dass in den neuen Koalitionsverhandlungen im Bund das Thema Bildung gar nicht zum Tragen kommt. Wir haben keinen anderen Rohstoff als die Bildung unserer Kinder.
Das Interview führte János Kereszti. Aufgeschrieben und redigiert hat es Sebastian Krüger.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. März 2025, 19:30 Uhr