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Vor diesen Hürden stehen Flüchtlinge und Migranten auf Arbeitssuche

Ein Flüchtling aus Somalia als Praktikant in einer deutschen Firma. (Archivbild)

Vor diesen Hürden stehen Flüchtlinge und Migranten auf Arbeitssuche

Bild: dpa | Christoph Schmidt

Bremen sucht Arbeitskräfte – und viele Zugewanderte suchen Arbeit. Doch trotz des Bedarfs ist ihr Weg in den Arbeitsmarkt oft lang. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Ob im Handwerk, im Gesundheitswesen oder in der Bildung: Bremen sucht Fachkräfte. Denn die Bevölkerung altert, viele Berufstätige gehen bald in den Ruhestand und oft gibt es keine Nachfolger. Auf der anderen Seite kommen jedes Jahr viele Menschen nach Deutschland, weil sie auswandern oder aus ihrem Land fliehen. Der Fachkräftemangel könnte so abgemildert werden – doch die Realität sieht anders aus.

Vor welchen Hürden stehen Flüchtlinge und Migranten bei der Arbeitssuche?

Migranten und Flüchtlinge unterscheiden sich nicht nur in ihrer Herkunft und durch ihren Aufenthaltsstatus, sondern auch im Alter, in ihrer Bildung und Qualifikation sowie ihren Wünschen. Es hakt also bei der Suche nach Arbeit je nach Mensch an anderen Dingen.

Zudem gibt es rechtliche Hürden. Wer als Flüchtling in Bremen ankommt, muss sich beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales in einer Aufnahmeeinrichtung registrieren lassen und einen Antrag auf Asyl stellen. Bei Zustimmung erhalten sie einen Aufenthaltstitel, der eine Aufenthaltserlaubnis beinhaltet. In diesem Aufenthaltstitel ist vermerkt, ob jemand arbeiten darf oder nicht.

Bei Ablehnung des Asylantrags wird ihnen nur dann ein Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt, wenn die Abschiebung ausgesetzt wird und sie eine Arbeitserlaubnis erhalten. Asylbewerber dürfen in Deutschland auch arbeiten, wenn sie eine Erlaubnis der entsprechenden Ausländerbehörde haben. Aber erst einmal gilt: Asylbewerber und Geduldete müssen nach ihrer Ankunft drei oder sechs Monate warten, bis sie überhaupt arbeiten dürfen – je nach ihrer Wohnsituation.

Weitere Hürden sind Sprachkenntnisse und die Anerkennung der Berufsqualifikation.

Wie unterscheiden sich die Gruppen untereinander?

Hinter den Begriffen Migranten und Flüchtlingen verbergen sich viele Gruppen aus unterschiedlichen Ländern. Man muss zwischen ihnen genau differenzieren, sagt René Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen. Seit 2011 sei die Zuwanderung nach Deutschland massiv angestiegen, auch nach Bremen. Das liegt etwa an der Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union.

Es seien viele Ost-Europäer – etwa aus Rumänien, Bulgarien und Polen – nach Deutschland gekommen, diese unterschieden sich in ihrer Qualifikation stark, sagt Böhme. Unter ihnen seien viele Menschen mit Erfahrung in den Pflegeberufen, allerdings auch Menschen mit schlechter Ausbildung. So gibt es laut dem Experten Teilgruppen, die lange Sozialleistungen beziehen oder in ausbeuterischen Jobs arbeiten – oder aber auf der Straße leben, weil Zugewanderte aus der EU in den ersten fünf Jahren keine Sozialleistungen erhalten.

Seit 2015 kamen dann viele Menschen aus Asyl-Herkunftsstaaten wie Syrien oder dem Iran, sagt Böhme. "Die Fachkraftquote unter ihnen ist teilweise hoch, etwa bei den Iranern." Doch ihre berufliche Qualifikation werde hierzulande oft abgestuft oder gar nicht anerkannt. Und um noch einmal an einer Universität zu studieren, brauche es gute Deutschkenntnisse, sagt Böhme.

Eine weitere Gruppe sind laut dem Experten junge Migranten und Flüchtlinge, die oft keine Ausbildung hätten. Das Nadelöhr sei dabei oft die Berufsschule, sagt Böhme. Um dem Unterricht zu folgen, brauche es nicht nur Sprach-, sondern auch mathematische oder naturwissenschaftliche Kenntnisse. Zudem benötigten junge Zugewanderte oft sozialpädagogische Betreuung, um den Alltag zu bewältigen.

Wie steht es um die ukrainischen Flüchtlinge?

Bei den Ukrainern scheint die Integration in den Arbeitsmarkt relativ gut zu gelingen. Zwar ist der größte Teil der ukrainischen Flüchtlinge im Land Bremen noch ohne Beschäftigung, trotzdem haben zuletzt deutlich mehr Ukrainer einen Job gefunden, wie aus Zahlen der Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven von Juli hervorgeht.

Experte Böhme führt das auch darauf zurück, dass den Ukrainern die Integration durch die "EU-Richtlinie über den vorübergehenden Schutz" (früher Massenzustrom-Richtlinie) vereinfacht wurde. Dadurch erhalten sie sofortigen Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Leistungen wie Bürgergeld und Sozialhilfe, erklärt Böhme.

Einer Simulationsstudie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zufolge wird eine Beschäftigungsquote von 55 Prozent bei den Ukrainern nach zehn Jahren erwartet. Böhme erläutert die Zahl wie folgt: Diese Beschäftigungsquote sei vergleichbar mit anderen Flüchtlingsgruppen, trotz günstiger Rahmenbedingungen. Das liege daran, dass der Großteil der ukrainischen Flüchtlinge alleinerziehende Mütter und Kinder seien. Wie bei der deutschen Bevölkerung sei das Nadelöhr in diesem Fall die Kinderbetreuung, so Böhme.

Gibt es genug Sprachkurse für Migranten und Flüchtlinge?

Die Internetseite der Bundesintegrationsbeauftragten zeigt, an wen sich die Integration- und Sprachkurse richten: So gibt es etwa Sprachkurse für Deutsch-Anfänger und Fortgeschrittene, aber auch Kurse zur Alphabetisierung für Menschen, die auch in ihrer Muttersprache kaum lesen und schreiben können. Beispielsweise gibt es aber auch Jugendintegrationskurse für Menschen jünger als 27 Jahre und Kurse für Frauen und Eltern.

Ob das Angebot ausreicht, lasse sich pauschal nicht beantworten, sagt eine Sprecherin der Bremer Integrationssenatorin auf Anfrage. Der Bremer Senat arbeite daran, das Angebot des Bundes um weitere Zielgruppen zu ergänzen. Die Koordinationsstelle Sprache des Landes Bremen und das Jobcenter Bremen sollen den Menschen vor Ort helfen, die richtigen Kurse zu finden. Die Koordinationsstelle fördert außerdem die Teilnahme von Menschen an Kursen, die dafür eigentlich keine Berechtigung haben.

Das Jobcenter Bremerhaven wünscht sich mehr Plätze in den Sprachkursen. Es berichtet von langen Wartezeiten und davon, dass viele Träger von Sprachkursen mehr Angebote machen wollen, dafür aber kein Lehrpersonal finden.

Laut Experte Böhme gibt es bei den Sprachkursen in Bremen zwar ein sehr differenziertes Angebot, aber oft seien die Wartezeiten für ein bestimmtes Sprachniveau lang – etwa auch, weil Kursleiter fehlten. Jobcoaches hätten Böhme berichtet, dass manche bis zu eineinhalb Jahren auf einen entsprechenden Platz warteten.

Und Sprachkurse sind wichtig: Auch wenn in vielen Branchen kein perfektes Deutsch gefordert sei, seien Grundlagen notwendig, so die Bremer Handwerkskammer auf Anfrage. Das gelte zum Beispiel auch auf Baustellen, wo Sicherheit eine große Rolle spielt – oder im Kundenkontakt.

Woran hakt es bei der Integration?

An den gesetzlichen Wartezeiten bei der Arbeitsmarktintegration scheitert es dem Eindruck von René Böhme zufolge nicht. Flüchtlinge hätten oft viele Probleme, die sie an der Suche nach Arbeit hinderten. Oft gebe es die Erwartung, dass es sich um fertige Fachkräfte bei den Arbeitssuchenden handle. "Selbst, wenn eine hoch qualifizierte Person nach Deutschland kommt, ist es kein Selbstläufer, dass die Person durch das Anerkennungsverfahren kommt", erklärt Böhme. 

Zudem lebten die Menschen etwa in Aufnahmeeinrichtungen mit vielen anderen auf engem Raum, litten an gesundheitlichen Problemen, hätten niemanden, der ihre Kinder betreut. Unter diesen Umständen sei es schwierig, an einem Sprachkurs teilzunehmen oder für diesen zu lernen, so Böhme.

Eine Lösung könne sein, die Reihenfolge zu ändern: erst im Arbeitsmarkt ankommen und währenddessen qualifizieren, schlägt Böhme vor. Er verweist als Beispiel auf die Bremische Evangelische Kirche (BEK), die Menschen ohne pädagogische Erfahrungen als Assistenzkräfte in ihren Kitas einsetzt.

Eine weitere Hürde sind ungeklärte Aufenthaltstitel, teilt die Handwerkskammer mit. Das erschwere die Planbarkeit für Unternehmen. Zudem seien Antragsverfahren in Deutschland oft langwierig und intransparent.

Wie erfolgreich ist die Integration in den Arbeitsmarkt?

"Im Vergleich zu früheren Kohorten sind wir auf einem guten Weg", sagt Böhme. "Wir müssen schrittweise daran arbeiten, die Hürden zu reduzieren." Insgesamt gelinge die Integration in den Arbeitsmarkt heute besser als noch etwa in den 90er-Jahren. Allerdings sei die Stimmung in der Öffentlichkeit schlechter. Böhme stellt klar:

Ohne Arbeitsmarktmigration wären viele Branchen in Deutschland schon zusammengebrochen. Wachstum in Deutschland ohne Migration ist heute nicht mehr denkbar.

René Böhme
René Böhme, Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Oktober 2024, 19:30 Uhr